„Artenvielfalt“ oder „Biodiversität“ sind momentan die Kampfbegriffe, um die konventionelle Landwirtschaft in Misskredit zu bringen. Dazu ist folgendes zu sagen: Durch die Landwirtschaft wurde in Mitteleuropa erst die Vielfalt an Lebensräumen geschaffen, die vielen Arten ermöglichte, sich hier niederzulassen. Der Feldhamster zum Beispiel kommt ursprünglich aus osteuropäischen und mittelasiatischen Steppengebieten. Erst die Anlage von Feldern und Wiesen hat ihn bei uns heimisch werden lassen.

Auch Bio-Bauern müssen die Biodiversität auf ihren Äckern reduzieren, wenn sie was ernten wollen. Also wird zum Beispiel in Mais und Rüben mehrmals gehackt. Viermal gehackt und den Feldrand gemulcht hinterlässt nicht mehr Arten am und auf dem Acker als die konventionelle Variante mit einer einmaligen Herbizid-Maßnahme – im Gegenteil: Gerade Bodenbrüter wie Feldlerchen werden durch die Hackerei massiv gestört.
Biodiversität stellt sich durch das Weglassen von Herbiziden und von mechanischer Unkrautbekämpfung auch nicht automatisch ein. Häufig setzt sich dann an einem Standort die Pflanze durch, für die die Bedingungen dort optimal sind: Dann steht dort halt keine Gersten-Monokultur, sondern eine Kamillen-Monokultur.

Es stellt sich auch die Frage, welchen Wert oder welchen Dienst an der Natur etwa Distelnester im Getreidefeld leisten. Machen wir uns nichts vor: Diese Disteln werden nicht über den Winter stehen bleiben und etwa einem Stieglitz als Futterquellen dienen. Die werden gemäht und – hoffentlich fachgerecht – entsorgt werden und der Acker wird neu ausgestellt.
Daher möchte ich generell dafür plädieren, Biodiversität nicht als Güte-Merkmal für eine Ackerfläche heranzuziehen. Vielmehr sollte man lieber versuchen, auf dem Acker effizient zu arbeiten, um dann Luft zu haben, um wichtige und seltene Habitate ganz aus der Produktion herauszunehmen. Zudem sind breite Ackerrandstreifen, Hecken und Maßnahmen wie Lerchenfenster oder Blühflächen wichtig für die Artenvielfalt.
Biodiversität ist diskussionswürdig
Biodiversität ist kein Wert kann sich. Eine Gesellschaft kann in einem öffentlichen Diskurs dem Schutz der Arten eine besondere Stellung einräumen, aber das ist auf jeden Fall diskussionswürdig. Man muss das nicht gut finden, dass für Millionen von Euro etwa Fledermaus-Schutzwände errichtet werden müssen, damit eine Autobahn gebaut werden kann. Vielleicht findet man es wichtiger, dass die Schulen gut ausgestattet sind und es für jedes Kleinkind einen Kitaplatz gibt. Ich persönlich genieße meinen großen Garten mit Extra-Distel-und Brennnessel-Ecken für Stieglitze und Tagpfauenaugen und freue mich über drei Sorten Spechte an der Futterstation oder einem Taubenschwänzchen am Schmetterlingsflieder – aber das ist mein persönliches Ding. Niemand kann von der Gesellschaft erwarten, dass die anderen Menschen diese Vorliebe teilen.
Oder mit Vince Ebert:
„was bitte hat ein Pandabär je für uns getan? Im Gegensatz zum Darmbakterium. Ohne diese kleinen, putzigen Kerlchen hätten wir keine Verdauung! Wir würden innerhalb von kürzester Zeit ins Gras beißen.“
http://www.bpb.de/gesellschaft/umwelt/dossier-umwelt/61288/verlust-von-pflanzenarten
Die höchste Artenzahl an Pflanzen in Mitteleuropa wurde vermutlich zu Beginn der industriellen Revolution erreicht (circa 1800 bis 1850). Durch zunehmende menschliche Eingriffe seit Mitte des 19. Jahrhunderts nimmt die Zahl der einheimischen Pflanzenarten sowie der Archäophyten (einheimische Pflanzenarten, die vor 1492 n. Chr. mit dem Menschen eingewandert sind) ab.
Intensive Landwirtschaft
Die Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung seit den 1960er-Jahren hat einen erheblichen Anteil am Rückgang von Pflanzenarten auf Wiesen, Weiden und Äckern. Die Gründe hierfür sind vielfältig, zum Beispiel die starke Zufuhr von Mineraldünger und Gülle, Anwendung von Unkrautbekämpfungsmitteln (Herbizide), frühe Mahd, Entwässerung von Feuchtwiesen und Umbruch von Grünland. Die Folgen sind artenarmes Intensivgrünland und Äcker, in denen wilde Pflanzenarten kaum noch zu finden sind.
Seit den 1980er-Jahren war durch eine schwierigere ökonomische Lage der Landwirtschaft ein leichter Rückgang der Intensivierung zu verzeichnen, der allerdings keine merklichen positiven Effekte auf die Bestandsituation gefährdeter Arten hatte. Derzeit ist im Zuge des Biomassebooms und der Verteuerung landwirtschaftlicher Produkte ein weiterer Intensivierungsschub der landwirtschaftlichen Nutzung zu beobachten, was mit zunehmendem Maisanbau und der Einführung neuer Energiepflanzen wie Chinaschilf verbunden ist. Damit werden Extensivierungsbemühungen der jüngeren Vergangenheit teilweise zunichte gemacht.
Neben der Intensivierung der Landwirtschaft gefährdet die mangelnde Nutzung von meist ertragsschwachen Standorten viele Pflanzenarten. Viele Arten sind von der landwirtschaftlichen Pflege ihres Lebensraumes abhängig. Dies gilt besonders für Frisch- und Feuchtwiesen sowie Magerrasen. Wenn es sich dabei um Schutzgebiete handelt, ist die Nutzung für Landwirte in hohem Maße unwirtschaftlich und wird vernachlässigt.
https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/presse/2015/Dokumente/Artenschutzreport_Download.pdf
Intensive Landwirtschaft
Die Ursachen für die teils dramatische Verschlechterung des Zustands der biologischen Vielfalt in der
Agrarlandschaft sind vielfältig, stehen aber regelmäßig in engem Zusammenhang mit hochintensiver
Landwirtschaft. So wirken sich in intensiv genutzten Grünland- und Ackerbauregionen enge
Fruchtfolgen, große Schläge, die Entmischung und Homogenisierung von Nutzungsstrukturen sowie
Meliorationsmaßnahmen wie die Entwässerung von Feuchtgrünland negativ auf die Artenvielfalt
sowie auf den Naturhaushalt und das Landschaftsbild aus. Der starke Wandel der Landwirtschaft
wurde für große Regionen in Nord- und Mitteldeutschland sehr anschaulich dokumentiert.
Zu den Ergebnissen der Untersuchungen gehören die Vervielfachung der durchschnittlichen
Schlaggrößen, die Abnahme potenzieller Ackerwildkrauthabitate, die deutliche
Zunahme der Ackerflächen, auf denen Herbizide eingesetzt werden, sowie damit verbunden
dramatisch abnehmende Artenzahlen.
„Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.
Erst muss es möglich sein auch armen Leuten,
Vom grossen Brotlaib sich ihr Teil zu schneiden.“
Berthold Brecht
Wir machen Euch satt!
für mehr Fantasie und Umweltbewusstsein in der konventionellen Landwirtschaft
http://www.sueddeutsche.de/wissen/oekologie-glyphosat-ist-nur-ein-symptom-und-nicht-das-problem-1.2897417
Apropos „was tut der Pandabaer so Gutes fuer mich“…Was ich mich in dem Zusammenhang frage: was tragen eigentlich Philosophen, Redakteure und Kabarettisten zur Wertschöpfung einer Gesellschaft bei? Ist das Kunst oder kann das weg?
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