Wer schwerwiegende Fehler gemacht hat, von dem wird ein Akt der Reue erwartet, erst recht, wenn man sich in der Öffentlichkeit bewegt. Dies gilt umso mehr, wenn sich eine Gruppe von Akteuren gemeinsam auf dem Holzweg befand. Im politischen Alltag ist ein Comeback nach Fehlern erst dann möglich, wenn bestimmte Phasen durchlaufen worden sind: Fehlereingeständnis, Personalwechsel, Analyse und Neuorientierung. Diese Phasen müssen glaubhaft nach außen vermittelt werden, wenn man keine Glaubwürdigkeit verlieren möchte.

Bei der FDP passiert die Aufarbeitung der Ampel-Regierungsbeteiligung nach meinem Geschmack zu oberflächlich und zu schnell.

Bereits knapp ein Jahr vorm endgültigen Ampel-Aus, stimmte lediglich eine knappe Mehrheit bei der FDP-Mitgliederbefragung für den Verbleib in der Ampelregierung. Diese schwache Unterstützung nicht als Anlass zumindest für ein Hinterfragen der Koalition zu nutzen, ist der damaligen Parteiführung schwer anzulasten. Im Fortgang hat sich die wirtschaftsliberale Profilierung der Union mit einem Generalsekretär Carsten Linnemann als echte Existenzbedrohung für die FDP entpuppt. Das Mittragen planwirtschaftlicher Umbauten im Energiesektor unter Wirtschaftsminister Habeck stellte für viele liberale Wähler eine rote Linie da.

Heute will man davon nichts mehr wissen. Der jetzige Parteitag ließ wenig Demut beim Führungspersonal erkennen. Stattdessen bemühte man sich um Selbstvergewisserung und sprach sich Mut zu. Der neue Parteivorsitzende Christian Dürr arbeitete sich in seiner Bewerbungsrede geradezu detailverliebt an der Merz-Regierung ab – gerade so, als ob er noch Vorsitzender einer Bundestagsfraktion sei. Nur: Wen interessiert das eigentlich noch? Und: Schlicht skurril wirkt, wenn Dürr lang und breit Zustände in der Bildungspolitik beklagt – wie mangelnde Deutschkenntnisse von Grundschülern. Das ist schließlich eins der Ressorts, für das die FDP bis vor kurzem an federführender Stelle zuständig war.

Der Parteivorsitzende skizzierte, dass die Partei künftig durch gute Ideen glänzen solle. Ein neues Grundsatzprogramm soll her, die Partei reformiert und modernisiert werden – das ist so richtig wie unspektakulär! Dass Thomas Kemmerich bei der Wahl der Landesvorsitzenden in den Vorstand zwei Mal das nötige Quorum nicht erreichte, wurde vom Auditorium lautstark begrüßt. Man sieht den Kurs auf „Mitte“ klar bestätigt. Ein Pyrrhussieg. Denn ein politischer Gemischtwarenladen mit liberalem Anstrich hat in der Wählerrepublik kein Alleinstellungsmerkmal. Die FDP macht sich damit abhängig von einem etwaigen Misserfolg der Regierungsparteien. Wenn die Union in der Wirtschaftspolitik liefern wird, werden die Liberalen in ihrem jetzigen Zustand nicht mehr gebraucht.

Zur Vergangenheitsbewältigung hätte auch ein dezidierter Personalwechsel gehört. Stattdessen ziehen sich mit Lindner, Buschmann und Stark-Watzinger drei Führungskräfte zurück und die „dahinter“ rücken quasi einfach nach – auch hier ist kaum ein Neuanfang zu erkennen. Allein die neue Generalsekretärin Nicole Büttner hat kein Ampel-Stigma zu tragen.

Das Motto des Parteitages „When life gives you lemons, make lemonade” geht auf den US-Autor Elbert Hubbard zurück. Er schrieb 1909 in einem Nachruf zu dem kleinwüchsigen Schauspieler Marshall Pinckney Wilder:

„His was a sound mind in an unsound body. He proved the eternal paradox of things. He cashed in on his disabilities. He picked up the lemons that Fate had sent him and started a lemonade-stand.”

Wilder nutzte seine Kleinwüchsigkeit, um erfolgreich zu sein. Diese Eigenschaft war selten und daher besonders. Wollen wir hoffen, dass die neue Limonade der FDP auch jemand haben will.

Bildnachweis: Angélica Echeverry/Unsplash

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