Am Wochenende ging in Berlin die Grüne Woche zu Ende. Für Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir war es Corona-bedingt die erste Grüne Woche in diesem Amt. Es war auch das erste Mal, dass ein Bundeslandwirtschaftsminister der Grünen mit einer „Wir-haben-es-satt“-Demo konfrontiert wurde. Der Umstand ist pikant, denn diese Demo wird massiv finanziell bezuschusst mit Geldern des ebenfalls Grün-geführten Bundesumweltministeriums (BMUV).

Fingerspitzengefühl bewies die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen: Anstatt sich wie in den Jahren zuvor dem Demonstrationszug anzuschließen, gab es einen Fototermin vor dem Reichstagsgebäude mit einer Positionierung zur Grünen Woche, die Demo wurde nicht einmal per Hashtag erwähnt:

Minister Özdemir hingegen machte sich bei der Entgegennahme der Protestnote vorm Auswärtigem Amt mit den Zielen der „Wir-haben-es-satt“-Bewegung gemein und bedankte sich sogar bei den Demonstrierenden. Er ging sogar soweit, aktive Wahlkampfunterstützung zu fordern:

„Dann sorgt bitte dafür, dass wir nächstes Mal nicht 14 Prozent haben, sondern wir mehr haben. Dann werden wir auch mehr durchsetzen.“

Worte, die auf Worte folgen …

Dieser Umstand hat ein wenig Geschmäckle, wenn man sich anschaut, wie die Organisation der „Wir-haben-es-satt“-Demo finanziert wird: Klickt man auf der Website der Bewegung auf „Demo-Büro“, landet man beim Projekt „Meine Landwirtschaft“. Auf der Website dieser Kampagne wiederum findet sich folgender Passus:

„Die Kampagne Meine Landwirtschaft ist ein Projekt des Forum Umwelt & Entwicklung unter der Rechtsträgerschaft des Deutschen Naturschutzrings. Die beiden Organisationen sind Teil des breiten Netzwerks an Unterstützerinnen und Förderinnen.“

WER WIR SIND

Der Deutsche Naturschutzring e.V. erhält laut Bundeshaushaltsplan im Jahr 2023 eine Förderung in Höhe von 1,963 Millionen Euro. Die Erläuterung dieser Position lautet:

„Der Deutsche Naturschutzring e. V. ist die Dachorganisation für ca. 100 Umwelt- und Naturschutzverbände. Ihm obliegt die Aufgabe, deren Arbeit auf diesem Gebiet zu koordinieren und die Verbindung zur Bundesregierung zu pflegen.“

Einzelplan 16 (BMUV), Seite 13

Das BMUV gibt zur Erläuterung des eigenen Ressortentwurfs zum Haushalt alljährlich das sogenannte Grüne Buch heraus. Dort ist diese Position genauer erläutert:

„Zum Tätigkeitsbereich des DNR gehört seit 1992 die Projektstelle des „Forum Umwelt und Entwicklung“. Das Forum, das im Grundsatz allen Umwelt-, Entwicklungs- und sonstigen Nichtregierungsorganisationen (NRO) offensteht, hat sich im Laufe der Jahre unter dem Träger DNR zu einem kompetenten und anerkannten Koordinierungsgremium der deutschen NRO in den wichtigen Fragen der internationalen Umwelt- und Entwicklungspolitik entwickelt. Seit dem Haushaltsjahr 2004 ist die Projektstelle in die institutionelle Förderung des DNR integriert und im Wirtschaftsplan des DNR entsprechend gesondert dargestellt.“

ebd., S. 40

Weiter heißt es dort:

Die Arbeit des DNR im Jahr 2023 konzentriert sich auf seinen Beitrag zu
(…)
– einer Agrarpolitik, die dem Leitbild einer bäuerlich-ökologischen Landwirtschaft folgt und die Artenvielfalt sowie die Kulturlandschaften erhält
(…)

An Aktivitäten zur Umsetzung dieser generellen Zielsetzungen sind unter anderem geplant:
– Intensive Begleitung der umweltpolitischen Aufgaben der Bundesregierung,
(…)
– Organisation von Veranstaltungen und Advocacy-Fahrten nach Brüssel, Straßburg oder Paris,
(…)“

ebd., S. 40-41

Von der Organisation einer Demo, die einen Anspruch auf bundesweite Signalwirkung hat, ist dort nichts zu lesen, aber es findet sich eine Tabelle im Grünen Buch (S. 19), die immerhin 17,75 Stellen ausweist, wobei die Zahlen der zwei Zeilen vermutlich vertauscht worden sind. Im Vergleich zum Bundeshaushaltsplan sind die Beträge vertauscht, so dass auf den DNR eher 18 Stellen fallen dürften:

Das Demo-Büro von „Wir-haben-es-satt“ respektive die Kampagne Meine Landwirtschaft hat seine/ihre Räumlichkeiten an der Adresse „Marienstraße 19-21“. Dort firmieren neben dem Forum Umwelt und Entwicklung auch der DNR, die Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL) e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. (BÖLW), der Informationsdienst Gentechnik, die Initiative „Save our Seeds“, beides Projekte der Zukunftsstiftung Landwirtschaft der GLS Bank, sowie das Berliner Büro des Ökoanbauverbandes Bioland und von Greenpeace.

Kurzum: Ein Minister applaudiert einer „Bewegung“, deren Federführung vom Haus einer Parteifreundin, nämlich von Steffi Lemkes BMUV, nahezu komplett bezahlt wird. Wer weiß: Vielleicht rührt daher auch die diesjährige Beißhemmung dem BMEL-Chef gegenüber. Mit den Vorgänger*innen aus den Reihen der Union ist „Wir haben es satt“ wesentlich weniger zimperlich umgegangen.

Bildnachweis: Nsey Benajah / Unsplash

Siehe auch: Straßenkampf als Schützenhilfe?

Eine Antwort zu „Kommentar: Ministerium mit Propaganda-Abteilung?”.

  1. […] Source : Comment: Ministry with a propaganda department? – schillipaeppa.net […]

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