Ich mag Tierfilme. Ich mochte die schon als Kind. Und ich finde, Tierfilme sind wichtig, um die Menschen darin zu schulen, Zusammenhänge in der Natur zu erkennen und dementsprechend zu würdigen. Daher stehen die Menschen, die keine Kosten, Widrigkeiten und Mühen scheuen, um möglichst realitätsnahe Bilder von wilden Tieren in unsere Wohnzimmer zu liefern, immer hoch in meinem Ansehen. Aber anscheinend gibt es Menschen, die dieses Ansehen ausnutzen, um ihre privaten Botschaften zu transportieren. So präsentierte Tierfilmer Andreas Kieling vor ein paar Tagen ein verstörendes Video über Glyphosat auf seiner Facebook-Seite.
Die fachlichen Mängel in Kielings Vortrag sind haarsträubend. Ein grober Klops ist z.B. Beispiel die Behauptung, dass die Verlängerung der Glyphosat-Zulassung im Bundestag beschlossen worden sei. Über die Zulassung von Pflanzenschutz-Wirkstoffen wird auf EU-Ebene entschieden. Die EU-Kommission hat Ende Juni diese Entscheidung getroffen.
Auch ist die Vorerntebehandlung (Sikkation) von Getreide mit Glyphosat grundsätzlich verboten. Sie darf nur in Ausnahmefällen erfolgen, wenn das Erntegut sonst gar nicht zu bergen wäre. Das ist z.B. der Fall bei starkem Durchwuchs von Beikräutern oder Auflaufkartoffeln aus dem Vorjahr.
Ebenso ist die Behandlung mit Glyphosat vor der Aussaat keine Regelanwendung, sondern findet bei bestimmten pfluglosen Verfahren Anwendung, die wiederum Vorteile für die Bodenstruktur und den Erosionsschutz haben.
„Umwelt- und Menschengift“, „steht in ganz starkem Verdacht, krebserregend zu sein“: Es gibt eine einzige internationale Organisation, die IARC, eine Untergruppe der WHO, die Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ einstuft, alle anderen Einrichtungen wie das BfR, das JMPR (ebenfalls WHO), die EFSA, die EPA und andere sehen kein Krebsrisiko bei fachgerechter Anwendung. Interessant ist, dass ausgerechnet die IARC ihre Bewertung v.a. auf Mäusestudien aus den 80er Jahren stützt, die im Auftrag von Monsanto erstellt worden sind.
Überhaupt „eines der stärksten Gifte“: Glyphosat blockiert ein Enzym, das Pflanzen zur Herstellung bestimmter Aminosäuren benötigen. Die Wirkung, das Absterben der Pflanzen, sieht gewaltig aus, der chemische Eingriff ist jedoch nur winzig klein. Das vom Glyphosat blockierte Enzym kommt in tierischen Organismen gar nicht vor, deswegen gilt der Wirkstoff für Säugetiere als harmlos. Nach internationalen toxikologischen Standards (LD 50 Ratte oral) ist Glyphosat weniger giftig als Kochsalz oder Backpulver.
„über die Halbwertzeit weiß man auch nicht sehr viel“: In einem Bewertungsbericht vom Umweltbundesamt aus 2013 zu einem Glyphosat-haltigen Präparat sind diverse Studien dazu aufgeführt, die Schlussfolgerung lautet:
„Glyphosat wird im Boden mit Halbwertszeiten zwischen 3,9 und 327 abgebaut. Die Mineralisierung nach 100 d beläuft sich auf 23,5 – 79,6 % und die Bildung nichtextrahierbarer Rückstände nach 100 d auf 1,6 – 13,9 %. Nach dem Bewertungsschema von Beek et al. (2001) und auf der Grundlage des jeweiligen worst case ist Glyphosat hinsichtlich des Primärabbaus in Klasse IV (unbedeutend), hinsichtlich der Mineralisierung in Klasse III (gering) und hinsichtlich der Bildung nichtextrahierbarer Rückstände in Klasse II (mäßiges Plateau) einzustufen.“
„Biodiversität ist in Städten deutlich größer als hier draußen auf dem Lande“: Wahrscheinlich ist schon die Biodiversität in meinem Garten größer als die einer deutschen Durchschnittsgroßstadt mit ihren versiegelten Flächen, Kiesbeeten und Formschnitten, wenn man die Botanischen Gärten nicht mitzählt. Auch Parkanlagen sind deutlich stärker kultiviert als unsere Agrarlandschaft.
Dass Kieling einen roten Kanister in die Kamera hielt, hatte viele Landwirte stutzig gemacht. Denn Pflanzenschutzmittel werden in der Regel nicht in roten Gebinden ausgeliefert. Brigitta Blume hat es schließlich heraus gefunden: Man vergleiche bitte das Etikett auf dem Kanister mit dem Produktfoto für Oekomix Zweitakt-Kraftstoff:
In dem Kanister, den Andreas Kieling bedeutungsschwer mit den Worten „mit Glyphosat gesprüht“ präsentierte, ist nie Glyphosat gewesen. Vermutlich hat er ihn ausgewählt, weil die Farbe Rot Gefahr signalisiert und er damit seine Botschaft besser transportieren kann.
Wenn die Message stimmt, sind die Fakten anscheinend egal. Andreas Kieling war schon einmal negativ aufgefallen, als er in einer ZDF-Dokumentation „Kielings wildes Deutschland“ zahme Slowakische Wolfshunde als Wölfe verkaufte. Damals gab er sich uneinsichtig. Der Berliner Kurier zitiert den Tierfilmer:
„Wenn ich für den Wolf werben will, und das will ich, muss ich Bilder nehmen, die schicker sind als krisselige, grüne Nachtaufnahmen, die authentisch wären“
Ich mag Tierfilme immer noch, aber in Zukunft werde ich genau hinschauen, wer sie gedreht hat.
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