„Im Grunde ist nur das Falsche wirklich echt“ – Dieser Ausspruch von Harald Schmidt (SWR UniTalk bei min 44:00) bringt auf den Punkt, wie viele Medien heute arbeiten. Harald Schmidt beschreibt in der Sequenz wie die Bildzeitung ein Foto von seinem Auftritt bei „Wetten Dass …“ zwei Wochen nach dem Tod seines Vaters betitelt mit den Worten „Hier trauert Dirty Harry um seinen Vater“ und dabei sei er nur gerade kurz vorm Einschlafen gewesen:
„Für mich ist es sozusagen der Inbegriff des Beispiels, dass dieses Bild sozusagen, wenn es als Trauer gilt, unerreichbar ist verglichen mit jeder echt dargestellten Trauer. Die vermittelt sich gar nicht. Aber wenn ich einfach so ein Bild habe, wie man sich Trauer vorstellt, und drunter steht „Hier trauert Dirty Harry um seinen Vater“ – er ist aber nur kurz davor einzuschlafen, weil zwei Österreicher sich aufpumpen -, dann ist das sozusagen für mich ein Musterbeispiel davon, wie segensreich Medien wirken können, wenn man sie nicht mit Prozessen belästigt und sagt, das ist aus dem Zusammenhang gerissen, sondern einfach sagt: Im Grunde ist nur das Falsche wirklich echt. Alles andere ist ein kümmerlicher Versuch, der zum Scheitern verurteilt ist.“
Scheitern wollte offensichtlich auch ein Redakteur nicht, der bei einer Leipziger TV-Produktionsfirma einen Beitrag für das ZDF-Magazin frontal21 vorbereitete. Auf Facebook wurde jetzt die folgende Anfrage veröffentlicht:
Zum einen verwundert, warum der Autor ausgerechnet bei der Betreiberin der Website netzfrauen.org anfragt, denn diese Seite hat einen zweifelhaften Ruf als Clickbait-Maschine mit unseriösen Inhalten. Zum anderen hat er recht konkrete Vorstellungen, wie die O-Töne des oder der Befragten am Ende ausschauen sollen. Warum sucht er nicht gleich Schauspieler, wenn die Story vor dem Dreh schon fertig ist? Authentizität ist doch hier nicht mehr gegeben. Der Protagonist werde gesucht, um den Beitrag „mit Leben zu erfüllen“ – aha, so als Deko also?
Nicht lebendig genug waren offensichtlich die O-Töne von interviewten Landwirten für einen Beitrag im ARD-Magazin Kontraste über die Haltung von Sauen. Sie fielen dem Schneidegerät zum Opfer. topagrar zitiert die Antwort der Redaktion:
„Im Zuge unserer Recherchen hat sich der Schwerpunkt des geplanten Beitrages deutlich verändert, so dass wir nicht alle (ebenso interessanten) Aspekte berücksichtigen konnten. Zudem wurde dem Beitrag nur eine erheblich kürzere Länge zugestanden als ursprünglich geplant. Deshalb bedauere ich sehr, dass wir in diesem Fall Passagen unseres Interviews mit Ihnen leider nicht berücksichtigen konnten – was partout nichts über die Bedeutung der von Ihnen ausgeführten interessanten Aspekte zu diesem umfänglichen Thema aussagt. Ich bedanke mich für Ihre Mühen, Ihre Zeit, Ihr Entgegenkommen und hoffe, Sie bleiben uns gewogen.“
Für die Landwirte ist das ein schwacher Trost, denn ihre fachliche Einschätzung der gezeigten Sauenhaltung kam im Fernsehbeitrag schließlich nicht vor. Die vergeudete Zeit ist zu verknusen, nicht aber die tendenziöse Berichterstattung. Ein offener Brief von drei Schweineexperten, der auf der Facebook-Seite „Frag den Landwirt“ veröffentlicht wurde, gibt einen Eindruck, welche Versäumnisse sich die Redaktion zuschreiben lassen muss.
Bereits die Anmoderation versteigt sich im Größenwahn:
„Eine Zuchtsau in der Massentierhaltung: Haben Sie eine Vorstellung, wie viele Ferkel so eine Sau pro Jahr in unseren Tierfabriken zur Welt bringt? – Es sind 180.“
Es gibt den schönen Spruch „Eine Sau trägt drei Monate, drei Wochen und drei Tage“. Zählt man nun auch noch die Säugezeit hinzu, kommt man auf nicht drei Würfe im Jahr. Rein rechnerisch geht der Fachmann von einem Durchschnitt von etwas weniger als 2,5 Würfen je Sau und Jahr aus. Selbst wenn ich mit drei Würfen pro Jahr rechne, sind 60 Ferkel pro Wurf selbst für den Laien schwer vorstellbar. Aber, was soll’s: „Im Grunde ist nur das Falsche …“ (s.o.)
Bildnachweis: tillintallin.de, dort gibt es das Motiv auch als Bildschirmhintergrund zum Runterladen
Da hat sich Dame in der Anmoderation wohl vertan, in der Reportage wird von 180 auf 4 Jahre gesprochen) aber 120-160 Ferkel pro Sau in 4 Jahren sind doch drin, oder? Mit Ammensauen ist bestimmt noch was möglich?
https://www.landwirt.com/Forum/174819/Wieviele-aufgezogene-Ferkel-pro-Zuchtsau.html
Es wird sich bei der konventionellen Landwirtschaft regelmäßig mit Absicht auf die eine Seite vertan, wie bei bio auf die Andere. So kommt beim Verbraucher ein vollkommen verkehrter Sachverhalt an. Viele Verbraucher halten heute bio schon für ökologischer als konventionell, und manche glauben sogar, es ginge den Tieren schon annähernd so gut, wie auf konventionellen Betrieben. Solch gravierende Fehleinschätzungen sind nur aufgrund permanent verlogener Berichterstattung möglich.
http://www.animal-health-online.de/gross/2016/01/30/hermanndorfer-landwerkstaetten-die-bio-show/30682/
Der Durchschnitt in der oekologischen Tierhaltung liegt, im u.a. wegen der hohen Tierverluste bei eher 20-25 Ferkeln pro Sau und Jahr. Der Durchschnitt der normalen Sauenhalter liegt bei 25-30 Ferkeln pro Sau und Jahr. Sehr gute Sauenhalter (vielleicht 5-10&) kommen auf bis zu 35 Ferkel pro Sau und Jahr. Das waeren maximal 140 Ferkel pro Sau und Jahr.
Warum wohl wurde dabei in der Moderation der Begriff „abgepresst“ verwendet?
Ein Schelm wer Arges dabei denkt …
@ Dirk Hesse: Haben die Ökobauern höhere Tierverluste, bzw. warum haben die konventionellen niedrigere?
In der Ökohaltung von Sauen sollen keine Ferkelschutzkoerbe eingesetzt werden. Dies bedeutet mehr Freiheit fuer die Muttersau, aber viele mehr Verletzungen und auch Todesfaelle bei den Ferkeln.
Zudem laesst sich unter den Vorgaben der Oekoverordnung kein optimales Futter fuer Ferkel kreieren, so dass Mangelerscheinungen auftreten koennen.
Allerdings gibt es in der Oekoverordnung auch zahlreiche Ausnahmemoeglichkeiten …
Irgendwoher müssen die 58 Millionen Schlachtschweine in Deutschland ja kommen
http://www.welt.de/politik/deutschland/article123700329/Deutsche-schlachten-pro-Jahr-750-Millionen-Tiere.html
„Liebe Berufskolleginnen und Kollegen.
Egal ob Ackerbauer oder Nutztierhalter, ob ökologisch oder klassisch, ob Haupt- oder Nebenerwerb: Unser Beruf hat mehr mit dem Leben der Menschen zu tun als man sich das im täglichen Geschäft klar macht. Bauern ernähren die Menschheit auf 11 Prozent der Erdoberfläche. Das ist erschreckend wenig. Und es wird täglich weniger. Wir erzeugen Lebensmittel von den obersten 30 Zentimetern der Erdkruste…
https://www.facebook.com/BauernverbandSchleswigHolstein/?hc_ref=PAGES_TIMELINE&fref=nf
Wir ernähren die Menschheit auf 11 Prozent der Erdoberfläche sagt Werner Schwarz… weltweit mag das sein, in Deutschland ist die landwirtschaftlich genutzte Fläche bei 51%, in Schleswig-Holstein bei über 60%.
Die Einleitung der Message macht schon eine Menge aus : )
Übrigens nur mal so: Die Kinder von Ihrem Liebling Harald Schmidt waren im Waldorfkindergarten : )
Pingback: Senf-Dazugabe – schillipaeppa.net