Am Wochenende trafen sich Delegierte der Partei Bündnis 90/Die Grünen zur Bundesdelegiertenkonferenz in Münster. Es galt, ein knappes Jahr vor der nächsten Bundestagswahl abzustecken, wie die Partei sich inhaltlich positionieren will. „Wir bleiben unbequem“ prangte als Motto hinter dem Rednerpult.
Ein Problem der Grünen: Politiker des Realo-Flügels wie Winfried Kretschmann oder Boris Palmer haben bei den Wählern Erfolg. Die Positionen, die sie vertreten, verletzen allerdings die reine Lehre. Das sorgt auch für eine gewisse mediale Aufmerksamkeit. Der Umgang damit treibt zuweilen seltsame Blüten, wie dieser Tweet zeigt:
Jeder Grüne, der heute freiwillig 10 min mit Boris spricht verhindert damit ein Interview. Also los. #bdk16
— Paula Piechotta (@PaulaPiechotta) November 13, 2016
Gemeint ist hiermit Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen. Im Vorfeld des Parteitages berichtete der Spiegel sowie der Deutschlandfunk über Palmers von der grünen Mehrheitsmeinung abweichende Positionen. So zitiert der Spiegel Boris Palmer zum Verbrennungsmotor:
„“Wenn der Verbrennungsmotor morgen abgeschaltet wird, ist Baden-Württemberg ein Sanierungsfall wie das Ruhrgebiet nach der Ära von Kohle und Stahl“, mahnte der Oberbürgermeister von Tübingen. Ein „fallbeilartiges Verbot“ im Jahr 2030 würde bedeuten, dass in zwei bis drei Jahren die Erforschung und Entwicklung der Technologie beendet würde.
„Das wäre eine Vollbremsung mit Totalschaden“, so Palmer weiter. Stattdessen sollte die Bundesregierung eine jährlich steigende Mindestquote emissionsfreier Fahrzeuge an den Neuzulassungen vorschreiben. Parallel müsse der Staat den Ausbau der Lade-Infrastruktur mit Macht vorantreiben.“
Auch Winfried Kretschmann, Ministerpräsident vom Autoland Baden-Württemberg, hatte im Vorfeld Widerstand angekündigt und hält von einem konkreten Ausstiegstermin nicht viel. Nichtsdestotrotz folgten die Delegierten dem Antrag des Bundesvorstandes, ab 2030 nur noch abgasfreie Neuwagen zuzulassen. Simone Peter begründete den Antrag folgendermaßen:
„Die Mondlandung ist innerhalb von acht Jahren gelungen. Da sollte es möglich sein, innerhalb von 14 Jahren auf abgasfreie Autos umzusteigen.“
Was für eine bestechende Logik! – Es ist sicher richtig, die Kohlendioxid-Emissionen aus dem Verkehr zu reduzieren. Die Ökonomie lässt sich dabei aber nicht umgehen: Es muss auch eine entsprechende Nachfrage für Elektroautos da sein und die nötige Infrastruktur. Das braucht Zeit und Anreize. Deshalb war es ein guter Ansatz, mit Dieter Zetsche den Vorstandsvorsitzenden der Daimler AG einzuladen. Mit dieser Einladung ist die Parteibasis dann allerdings maximal unsouverän umgegangen. Man stelle sich einmal vor, ein grüner Politiker soll bei einer Veranstaltung eins Autobauers sprechen. Würde es dann so ein Gezänk geben? Wohl kaum.
Zurück noch einmal zum obigen Tweet: Wer jetzt meint, die Aufforderung, Boris Palmer mundtot zu machen, wäre irgendwie auf parteiinterne Kritik gestoßen, liegt falsch:
https://twitter.com/tektellin/status/798075019691753472
Witzig ist diese Form der Intoleranz also? So schnell wurde anscheinend die viel zitierte und viel geclickte Rede von Bastian Hermisson vergessen, in der der Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Washington seine Partei-Kolleg*innen aufforderte, moralische Überheblichkeit abzulegen. Auch die akustische Begleitung der Rede von Daimler-Chef Dieter Zetsche spricht Bände. Man gewinnt den Eindruck, dass hier trotzige Kinder mit den Füßen auf die Erde stampfen, weil sie ihren Willen nicht bekommen.
Wir stellen fest: Auf der einen Seite gehören die Grünen bereits zum Establishment und auf der anderen sind sie immer noch nicht erwachsen. Die Beschlüsse sind unscharf gefasst (Was sind „Superreiche“?), es sei denn, man kann konkret gegen irgendwas sein (Ceta, Kohle, Verbrennungsmotor, Ehegattensplitting). Wem die Grünen damit unbequem sein wollen, bleibt offen. Noch nicht einmal eine Diskussion zum Wahlausgang in den USA kam zustande. Ein entsprechender Antrag zur Änderung der Tagesordnung wurde abgelehnt. Die Begründung von Bundesgeschäftsführer Michael Kellner:
„Ich möchte den Namen Donald Trump nicht auf unserer Tagesordnung lesen.“
Das ist kindisch und damit keine Empfehlung für eine Partei, die auf Bundesebene ernsthaft Regierungsverantwortung anstrebt.
Nachtrag vom 17.11.2016:
So hat die Satire-Sendung extra 3 über den Parteitag berichtet:
Nachtrag vom 20.11.2016:
Und hier der Bericht der heute-show:
Im Gegensatz dazu hat die FDP ihr Profil gefunden
Gentechnik in der Pflanzenzüchtung – Grüne Gentechnik
Grüne Gentechnik ist eine innovative Technologie bei Entwicklung, Züchtung und Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen vornehmlich in der Landwirtschaft.
Wir unterstützen diese innovative Technologie für
1. die Produktion nachwachsender Rohstoffe zur energetischen Nutzung von Biomasse: Sie kann damit zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit Erneuerbarer Energien und somit zu einer modernen Energiepolitik beitragen.
2. die Verbesserung von Nahrungspflanzen: Die Grüne Gentechnik kann zur Förderung einer ausreichenden und gesunden Ernährung insbesondere bei einer globalen Betrachtung unter Berücksichtigung der armen Länder beitragen, indem widerstandsfähigere und stresstolerantere Anbaufrüchte die landwirtschaftliche Bewirtschaftung bislang ungeeigneter Flächen ermöglichen und verbesserte Inhaltsstoffe die Gesundheit fördern.
3. die Verbesserung der Qualität von Futtermitteln für Nutztiere und eine wirtschaftlichere Tierernährung.
4. den Umweltschutz in der Landwirtschaft, indem der chemische Pflanzenschutz zurückgedrängt wird.
5. die Herstellung von Medikamenten auch auf pflanzlicher Basis.
http://www.fdp-nds.de/fdp-niedersachsen/beschlusslage.html?tx_hhbeschluesse_pi1%5Bdetail%5D=17&tx_hhbeschluesse_pi1%5Bcat%5D=84