Vorab: Natürlich enthält jeder Mais Gene. Deshalb ist der Ausdruck „Genmais“ für „gentechnisch verbesserte Maissorte“ eigentlich dumm. Aber gut: Ich denke, Sie wissen, was gemeint ist.

Gestern fiel das Wort „postfaktisch“ im Bundestag. Stephan Albani, Forschungspolitiker der CDU, sprach zur Änderung des Gentechnik-Gesetzes.

Dem studierten Physiker macht das Wort „postfaktisch“ Sorgen:

„Postfaktisch bedeutet, dass wir uns mehr von Emotionen, mehr von Sorgen und Ängsten leiten lassen als von den Fakten – in aller Gemütsruhe, diese zu bewerten.“

Aus diesem Grund begrüßt Stephan Albani den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf zur Einführung einer Opt-Out-Option für gentechnisch verändertes Saatgut. Er schreibt auf seiner Facebook-Seite:

„Mit dem Gesetz setzen wir eine wichtige EU-Richtlinie um und schaffen ein faktenbasiertes, ideologiefreies und rechtssicheres Zulassungsverfahren für gentechnisch verändertes Saatgut. Dank der Opt-Out-Klausel können wir trotz EU-Zulassung den Anbau in Deutschland verbieten. Wichtig ist aber, dass dies nur erfolgt, wenn die Risiken zu groß erscheinen oder nicht absehbar sind. Wir dürfen die Forschung in diesem Bereich aber nicht postfaktisch von vornherein verbieten.“

In seiner Rede erinnerte Albani daran, dass wir in Deutschland schon einmal den Fortschritt haben vorbeiziehen lassen, als die hessische Landesregierung die Genehmigung einer Produktionsanlage für gentechnisch erzeugtes Insulin verwehrt hatte. Er verwies auf die Forderung von inzwischen mehr als 120 Nobelpreisträgern, Gentechnik nicht weiter zu blockieren. Albani mahnt:

„Es ist unsere Verantwortung, das Verhältnis zwischen Chancen und Risiken, Forschen und Folgenabschätzung, Hoffnung und Sorgen wieder ins Lot zu bringen – auf der Basis von Fakten.“

Was hat die Opposition für Argumente? Eigentlich keine, außer zu repetieren, dass Gentechnik irgendwie schlecht ist und flächendeckend verboten gehört.

Illustriert wird das mit Grimassen auf Maiskolben – postfaktisch halt: Bildchen reichen, um die negativen Ressentiments anzutriggern, die man mit Angstpropaganda während der letzen 20 Jahre aufgebaut hat.

Früher, so vor rund 20 Jahren, gehörte das Thema Gentechnik zum Bereich des forschungspolitischen Sprechers der Grünen Bundestagsfraktion in Person von Manuel Kiper. Der promovierte Molekularbiologe wurde 1997 mit einem bemerkenswerten Satz im Spiegel zitiert:

„Ich halte es für falsch, bei den Leuten Panik zu schüren. (…) Auf den Feldern wachsen keine Horrorpflanzen heran.“

Und weiter heißt es dort:

„In der Furcht vor Gentechnik sieht der Grüne Kiper eine Parallele zur früheren Ablehnung der Informationstechnik. „Vor elf Jahren beschlossen wir gleichzeitig einen Computerboykott und ein Verbot der Gentechnik, kompromißlos. Die Computer kamen trotzdem. Heute surfen alle im Internet – und lachen über den Computerboykott von gestern.“ Nun müßten die Grünen auch endlich aufhören, fordert Kiper, die Gentechnik „pauschal zu verteufeln“.“

Jawohl, dem kann ich zustimmen: Jetzt, spätestens – knapp 20 Jahre nachdem diese Forderung geäußert wurde – sollten die Grünen dringend aufhören, Gentechnik pauschal zu verteufeln. Gute Gründe gibt es dafür nämlich nicht.

 

Links:

25 Jahre BMBF-Forschungsprogramme zur biologischen Sicherheitsforschung

A decade of EU-funded GMO research (2001 – 2010)

• Transgene Pflanzen für die Ernährungssicherung im Kontext der internationalen Entwicklung. Ergebnisse der Studienwoche der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften

UNION DER DEUTSCHEN AKADEMIEN DER WISSENSCHAFTEN: Memorandum erarbeitet im Auftrag der GMO Initiative des InterAcademy Panel. Gibt es Risiken für den Verbraucher beim Verzehr von Nahrungsprodukten aus gentechnisch veränderten Pflanzen?

Liste von mehr als 275 Organisationen und wissenschaftlichen Instituten, die bestätigen, dass Grüne Gentechnik sicher ist

Laureates Letter Supporting Precision Agriculture (GMOs)

 

Zum Bild: Sehen die Kolben nicht furchtbar künstlich aus? Das ist aber kein gentechnisch veränderter Mais, sondern Mais der Sorte Glass Gem aus meinem Garten.

 

3 Antworten zu „Postfaktischer Adventskalender, Teil 3: Genmais ist grundsätzlich böse”.

  1. Avatar von Wolfgang Nellen
    Wolfgang Nellen

    Da ist doch etwas, was mich an Albani’s Aussage stört: „Wichtig ist aber, dass dies nur erfolgt, wenn die Risiken zu groß erscheinen oder nicht absehbar sind.“ Die EU und vor allem die Risikoforschung in Deutschland haben festgestellt, dass es keine zu großen, unabsehbaren Risiken gibt.
    Weiter sagt er: „Wir dürfen die Forschung in diesem Bereich aber nicht postfaktisch von vornherein verbieten.”
    Die Gesetzeslage ist so eingerichtet, dass es kein Forschungsverbot gibt – es gibt nur keine Mittel, um zu forschen. Die Forschungsfreiheit ist damit auf dem Papier gewährleistet – in der Praxis gehen die Wissenschaftler ins Ausland, weil sie hier keine Chance haben.

    1. Die Opt-Out-Regelung sieht ja vor, dass der Anbau aus politischen Gründen verboten werden kann. Eine Risikoabschätzung wird vorab von der EFSA unternommen und fällt nicht in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten. Man wird also im konkreten Fall sowieso nicht mit Risiken argumentieren können. Die Grünen wollen ja flächendeckend jede Form der Gentechnik – darunter fassen sie auch Genome Editing wie Crispr/Cas – verbieten. Ich verstehe Albanis Aussagen so, dass es keinen sachlichen Grund für so ein umfassendes Verbot gibt und dass eine Opt-Out-Regelung dem Rechnung tragen muss. Wenn man echte Forschungsfreiheit haben will, muss man m.E. noch viel offensiver vorgehen und argumentieren. Es ist doch im Grunde ein schlechter Scherz, dass das IPK seine Freisetzungsversuche nicht in Gatersleben unternehmen kann, sondern dafür in die Schweiz gehen muss.

  2. Auf französisch hier:

    http://seppi.over-blog.com/2016/12/un-calendrier-de-l-avent-postfactuel-3-le-mais-transgenique-est-mauvais-par-principe.html

    Die Aussagen des Herrn Albani entsprechen einem totalen Fehltreffer.

    Auf EU-Ebene wird das Zulassungsverfahren nicht besser, also weder faktenbasiert noch ideologiefrei : Wer kann glauben, dass GVO-feindliche Regierungen für eine EU-Zulassung stimmen werden, bloss weil sie die Opt-Out-Klausel haben?

    Beweis: Wieviele GVOs sind seit Annahme des Opt-Out Systems für den Anbau zugelassen worden? Wo stehen wir mit TC 1507 trotz der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union?

    Die möglichen Opt-Out Gründe sind alle rechtlich wackelig, fast jeder weiss das. Dies war in der Tat einer der Gründe für die erstweilige Opposition der Grünen im Europäischen Parlament gegen das System.

    Die Opt-Out Klausel funktioniert nur, soweit der Antragsteller dem Opt-Out zustimmt.

    Und selbst da! Eine Rechtsklage der Benutzer, also Landwirte, aufgrund einer grundlosen Wettbewerbsverzerrung scheint mir echte Chancen zu haben.

Kommentar verfassen

Angesagt