Internationaler Agrarhandel als Fluchtursache

Am Montagabend ging es in der ARD-Sendung „hart aber fair“ um die Politik des neuen US-PrĂ€sidenten Donald Trump. Ein zentrales Thema dabei war der internationale Handel. FĂŒr eine Exportnation wie Deutschland ist das wichtig.

Oskar Lafontaine, Vorsitzender der Fraktion von Die Linke im Landtag des Saarlandes, kann dem internationalen Handel nichts Gutes abgewinnen (ca. Min. 21:00):

„“Freihandel“ ist fĂŒr mich eines der grĂ¶ĂŸten LĂŒgenwörter unserer Zeit. Es gibt keinen Freihandel. Die wirtschaftlich mĂ€chtigen Staaten zwingen den schwĂ€cheren ihre Bedingungen auf und etwa in der Agrarwirtschaft ist das ein ganz schlimmer Vorgang, dass wir etwa afrikanischen Staaten aufzwingen, dass sie unsere subventionierten Agrarprodukte kaufen und damit geht die Landwirtschaft dort kaputt. Und dann wundern wir uns, dass die Menschen flĂŒchten und zu uns kommen. Diese LĂŒge vom Freihandel, die mĂŒssen wir endlich mal auflösen.“

Vertreter von BĂŒndnis 90/Die GrĂŒnen sehen das Ă€hnlich. AnlĂ€sslich der Afrika-Reise von Kanzlerin Angela Merkel im Dezember letzten Jahres fassen Anton Hofreiter und Claudia Roth in einem Gastbeitrag fĂŒr die ZEIT ihre Sicht der Dinge in folgendem Satz zusammen:

„Eine der Hauptursachen dafĂŒr, dass Menschen aus afrikanischen LĂ€ndern zu uns fliehen, ist die Landwirtschaft in Europa. Sie richtet in Afrika SchĂ€den an, die nur mit einer Agrarwende behoben werden können.“

Was fĂŒr Herrn Seehofer und seine CSU die Obergrenze ist, sind fĂŒr rot-grĂŒne Ideologen die Fluchtursachen. Ein Blick auf die Statistik indes bringt Licht ins Dunkel:

herkunftslaender2016
Quelle: BAMF

Die mit Abstand meisten Asylsuchenden kommen aus den Konfliktregionen des mittleren Ostens. Sie fliehen vor militĂ€rischen Auseinandersetzungen wie dem BĂŒrgerkrieg in Syrien.

herkunftslaender2016_karte.png
Quelle: BAMF

Unter den zehn HerkunftslÀndern mit den meisten Asylsuchenden sind zwei afrikanische Staaten: Eritrea und Nigeria. In Nigeria verbreitet die islamistische Terrorgruppierung Boko Haram Angst und Schrecken. Den bewaffneten Auseinandersetzungen folgen Hungersnöte. In Eritrea herrscht ein repressives System. Menschenrechte werden missachtet. Wer von hier flieht, verlÀsst seine Heimat, weil er in Freiheit leben will.

Importe von AgrargĂŒtern sind im rot-grĂŒnen Narrativ auch von Übel. Die GrĂŒne Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckhardt wird dieser Tage in der ZEIT zitiert:

„Dem widerspricht Göring-Eckardt. Deutschland habe noch eine andere Verantwortung, aus der heraus das Grundrecht auf Asyl begrĂŒndet sei: „Viele Fluchtbewegungen kommen deswegen zustande, weil wir so leben, wie wir leben. Menschen fliehen auch, weil kein Wasser da ist, weil es DĂŒrren gibt, weil sie ihre eigenen Lebensmittel nicht mehr anbauen können, weil sie das Soja fĂŒr unsere Fleischproduktion anbauen“, sagt Göring-Eckardt.“

Weil wir zuviel Soja importieren, leiden die Menschen in den AnbaulĂ€ndern Not? Wo wird denn eigentlich das meiste Soja angebaut und welche LĂ€nder fĂŒhren am meisten aus? Antworten geben Zahlen, die der Verband der Ölsaaten-verarbeitenden Industrie in Deutschland (OVID) bereithĂ€lt:

sojaproduktion
Quelle: OVID

USA, Brasilien, Argentinien, China, Indien, Paraguay, Kanada, die EU, Mexiko und Japan sind die Top-Produzenten, beim Export verteilen sich die Anteile etwas anders. Fest steht, die HauptherkunftslĂ€nder der Asylsuchenden bei uns sind nicht darunter. Wenn man sich anschaut, wohin das meiste Soja exportiert wird, stellt man fest, dass unsere Art zu leben, fĂŒr den weltweiten Soja-Anbau immer unbedeutender wird:

sojaimporte
Quelle: OVID

Fast 30 Prozent der Welt-Sojaernte geht nach bzw. bleibt in China. Die Menge, die in die EU importiert wird, ist seit 2000 sogar etwas gesunken.

Nach SchĂ€tzungen des Population Reference Bureau (PRB) in Washington werden im Jahr 2050 rund 2,5 Milliarden Menschen in Afrika leben. Afrika ist damit der Kontinent mit dem weltweit grĂ¶ĂŸten Bevölkerungswachstum. Hieraus wachsen Herausforderungen, die uns alle angehen und die man nicht mit billiger Wahlkampfpolemik löst.

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5 Kommentare zu „Internationaler Agrarhandel als Fluchtursache“

  1. Warum die Industrie es kleinen Bloggern ĂŒberlĂ€ĂŸt diese Dinge aufzudröseln und sich nicht um die Schulung und WidersprĂŒche kĂŒmmert, die unsere Gesellschaft umtreiben, kann man leider nur damit erklĂ€ren, das entweder der Konkurrenzdruck zu wenig Raum fĂŒr die Formulierung von gemeinsamen Interessen lĂ€ĂŸt oder es den Akteuren egal genug ist, weil sie selbst auch von den LĂŒgenmĂ€rchen profitieren. Die Biobranche und der „ethische“ Anbau / Konsum / Handel scheint sich jedenfalls genug zu lohnen, das die ImageschĂ€den nicht genug Schaden anrichten.

    Oder: Eine KrÀhe hackt der Anderen kein Auge aus.

    Eigentlich mĂŒsste das alles in SchulbĂŒchern gelehrt werden. Das mĂŒsste jeden Tag in großen Portalen stehen. Die ganzen Unkenrufe aus Bio-Absurdistan und solche speziellen LĂŒgengebilde der Anti-Globalisten jedenfalls.

    Der grĂ¶ĂŸte Erfolg durch höheren Preisdruck in Afrika wird sein, das sich dort nur eine effiziente Landwirtschaft ansiedeln können wird, die eben keine Verschwendung toleriert, wie es in der Subsistenzwirtschaft oder Biolandwirtschaft gang und gĂ€be ist.

    WĂ€re ja an der Zeit den Konzernatlas zu zerpflĂŒcken, wie es schon mit dem Boden- und Fleischatlas bei Keckl und anderen geschehen ist.

    https://www.boell.de/de/konzernatlas?utm_campaign=ds_konzernatlas

    Heinrich-Böll-Stiftung, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Bund fĂŒr Umwelt und Naturschutz Deutschland, Oxfam Deutschland, Germanwatch und Le Monde diplomatique

    Linkspolitisch Überzeugte, GrĂŒne Ökoaktivisten, Gewerkschafter, Antiglobalisten, Lobbyismuskritiker wenn ich das richtig sehe.

    Von Fachleuten keine Spur auf den ersten Blick, oder?

    1. Ein Beitrag aus dem Konzernatlas der Heinrich-Böll-Stiftung wurde bereits zerpflĂŒckt, und zwar ein Text der vorab unter dem Titel „Im Sumpf der Lobbyisten“ in der taz erschienen ist (Link: http://www.taz.de/!5369648/). Der PrĂ€sident des Bundesinstituts fĂŒr Risikobewertung, Prof. Dr. Dr. Andreas Hensel, hat dazu in einem Offenen Brief Stellung genommen (Link: http://www.bfr.bund.de/cm/343/offener-brief-des-bfr-an-taz-die-tageszeitung.pdf). Sehr lesenswert!

      1. Danke!

        Ich kann nach dem Lesen nur sagen: Das ist noch schlimmer als ich eh schon dachte. Wenn das fĂŒr einen solchen Text schon so harsch zutrifft, wieviel Echokammer steckt dann in dem Werk und wieviel FakeNews oder altdeutsch: Zeitungsenten sind im Konzernatlas verarbeitet?

        Das Problem ist: Es funktioniert. Das Storytelling im Background, die David-Golaiath-Storylines und vor allem das Mit-Dreck-Bewerfen funktioniert prÀchtig seit Ewigkeiten. Gerade deshalb funktioniert es.

        Besonders perfide ist, das gerade diejenigen, die mal auf AufklĂ€rung bedacht waren, die Linkslinken ÖkozeitgeisttrĂ€ger im besonderen Maße heute von diesen Fake-News leben und den Rechtspopulisten und Konservativen stĂ€ndig Fake-News und Echokammerverhalten vorwerfen.

        Wenn man da als relativ neutraler Beobachter einfach nur eine fachlich fundierte Laienmeinung bilden möchte, dann ists erstmal nicht einfach und in der Themendiskussion steht man immer wieder auf Aussenseiterposten.
        Sobald eine solche Fake-Meldung aus Links-Ökokreisen zirkuliert und man widerspricht den Ergebnissen macht man sich sofort unbeliebt. Es ist unmöglich gegen diese m.E. auf identitĂ€rem Verhalten fußenden Überzeugungsstrukturen argumentativ bei der Masse zu punkten. DafĂŒr brĂ€uchte es eine AufklĂ€rungskultur, aber das ist wohl nicht in dieser Welt der PR und LĂŒgen zu erwarten.
        Von PR und lĂŒgen lĂ€ĂŸt sichs halt leben, vom Wahrheit sagen eher nicht.
        Den Beteiligten NGOs spĂŒlen diese ĂŒblen Machwerke Spenden-Gelder in den Rachen, der Lobbyismus in eigener Sache blĂŒht, den eigentlichen Auftrag der Spender erfĂŒllen die Protagonisten allerdings damit nicht sondern sie degradieren die Spender zu Melkvieh.

  2. Besonders schön kann man die wichtige Rolle des internationalen Agrarhandels an den Weizenimporten der nordafrikanischen Staaten aufzeigen. Das wÀre doch eigentlich einen ergÀnzenden Artikel wert, oder?

    Insbesondere Ägypten wĂ€re hier zu nennen, dessen Bevölkerung sich innerhalb eines halben Jahrhunderts verdreifacht hat, wĂ€hrend sich die FlĂ€che fruchtbaren Bodens und die Menge „nachhaltigen“ Wassers (mehr SiedlungsflĂ€che, Nutzung des Nilwassers schon im Oberlauf, Versalzung der Böden) immer weiter verringert.

    Um ĂŒberhaupt eine Erhöhung der Landwirtschaftsproduktion zu erzielen, pumpt Ägypten die Sahara-Aquifere leer und baut in großem Maßstab „Bio“-FrĂŒhkartoffeln im unfruchtbaren WĂŒstensand an, die preislich nur fĂŒr den Erste-Welt-Markt erschwinglich sind (dazu gab es schon so manche Dokumentation – siehe Youtube. Wie die Kartoffeln „bio“ gedĂŒngt werden, ist mir allerdings immer noch ein RĂ€tsel…).

    Andererseits ist Ägypten Weizenimportland #1, und der billige Weltmarkt-Weizen wird innerhalb des Landes noch weiter subventioniert, um die Bevölkerung satt (und damit ruhig) zu bekommen.
    Was wĂ€re wohl los, wenn Ägypten keinen gĂŒnstigen Weizen mehr auf dem Weltmarkt einkaufen könnte?

    Übrigens sind ausgerechnet die FlĂŒchtlingszahlen dieser nordafrikanischen WeizenimportlĂ€nder relativ gering – gemessen an der Gesamteinwohnerzahl der Herkunftsstaaten sind die meisten ĂŒber das Mittelmeer kommenden FlĂŒchtlinge DurchzĂŒgler aus den BĂŒrgerkriegsstaaten Schwarzafrikas.

  3. Da wurde der Begriff Postfaktisch erst 2016 zum Wort des Jahres gewĂ€hlt. Hmm…
    Und die GrĂŒnen praktizieren dieses Prinzip seit mehr als 35 Jahren.
    Kompetenz- und Fakten befreit, trommeln, krakelen, empören, betroffen kucken, fernab jedweder RealitÀt, als Vollkasko-Helden.

    Erst wenn der braune Sumpf sich dessen bedient, regt sich Widerstand, so funktioniert das aber nicht.
    Solange die GrĂŒnen jedwede Situation verdrehen, bis sie taugt uns wieder fĂŒr irgendetwas die Schuld zu geben, sind sie nicht tauglich fĂŒr Politik in diesem Land.
    Und es brÀuchte doch ein wenig Opposition.

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