Das Umweltbundesamt (UBA) schreibt in seiner jüngsten Pressemitteilung:

„Grund ist die hohe Belastung des Grundwassers mit Nitrat. Über 27 Prozent der Grundwasserkörper überschreiten derzeit den Grenzwert von 50 mg/l.“

Diese Aussage ist so nicht ganz korrekt. Richtig müsste es heißen:

„Rund 27 Prozent der Grundwasserkörper sind derzeit aufgrund hoher Nitratgehalte in einem schlechten chemischen Zustand. An rund 18 Prozent der Grundwasser-Messstellen im Bundesgebiet wird der Nitrat-Grenzwert von 50 mg/l überschritten.“

Für die Einordnung „schlechter chemischer Zustand“ nach den Kriterien der Wasserrahmenrichtlinie müssen nicht alle dazugehörigen Messstellen die Nitratwerte überschreiten, sondern nur ein Teil.

Neben der Zahl von 18 Prozent der Messstellen, die über dem Grenzwert liegen, wird auch oft eine zweite Zahl genannt, nämlich 28 Prozent. Das liegt daran, dass es zwei Nitrat-Messnetze gibt: ein repräsentatives Messnetz, das die Belastung im gesamten Bundesgebiet abbildet (EUA-Messnetz), sowie ein Netz von Messstellen, deren Nitratwerte durch die dortige landwirtschaftliche Praxis beeinflusst werden (EU-Nitratmessnetz). Nachzulesen ist das im Nitratbericht 2016. Dort (S. 44) wird das EUA-Messnetz eingeführt:

„Die Belastung des Grundwassers durch Nitrat lässt sich für die Bundesrepublik
Deutschland auf der Grundlage des neuen EUA-Messnetzes darstellen. Wie im
Kapitel 2.5.1 beschrieben, ist dieses Messnetz flächen- und nutzungsrepräsentativ
konzipiert, so dass es die Nitratverteilung im Grundwasser Deutschlands insgesamt repräsentativ abbildet.“

Das Messnetz umfasst 1215 Messstellen. In diesem Balkendiagramm (Quelle: Nitratbericht 2016) sind die Häufigkeitsverteilungen der mittleren Nitratgehalte der Zeiträume 2008-2011 und 2012–2014 an den Messstellen des EUA-Messnetzes abgebildet:

nitratsaeulen_viel.png

Das zweite Messnetz, das EU-Nitratmessnetz, wird im Nitratbericht (S. 39) folgendermaßen beschrieben:

„Die EG-Nitratrichtlinie 91/676/EWG (Artikel 5) fordert, dass bei der Auswahl der Messstellen ein Zusammenhang zwischen der Nitratbelastung der Gewässer und der landwirtschaftlichen Nutzung hergestellt werden kann. Daher werden für die Berichtserstattung aus dem EUA-Messnetz nur diejenigen Messstellen ausgewählt bzw. näher betrachtet, in deren Einzugsgebiet die Nutzungseinflüsse von

• Acker
• Grünland
• Sonderkulturen

auf die Grundwassermessstellen dominieren. Diese Messstellen wurden zu einem „Teilmessnetz Landwirtschaft“ zusammengefasst, nachfolgend als „EU-Nitratmessnetz“ bezeichnet.“

Das Messnetz umfasst 697 Messstellen. In diesem Balkendiagramm (Quelle: Nitratbericht 2016) sind die Häufigkeitsverteilungen der mittleren Nitratgehalte der Zeiträume 2008-2011 und 2012–2014 an den Messstellen des EU-Nitratmessnetzes abgebildet:

nitratsaeulen_lw.png

Das EU-Nitratmessnetz ist für den Zweck eingerichtet worden, der EU gegenüber die Fortschritte bei der Umsetzung der Nitratrichtlinie zu dokumentieren. Es ist nicht repräsentativ, sondern ein sogenanntes Belastungsmessnetz.

Dieses Messstellenkonzept wurde erst kürzlich neu konzipiert, dazu heißt es im Nitratbericht (S. 38):

„Infolge von Messstellenausfällen im Laufe der Jahre standen von diesen Messstellen für den Nitratbericht 2012 nur noch 162 Messstellen zur Verfügung. Die mittlere Messstellendichte in Deutschland lag damit erheblich niedriger als in den meisten anderen Mitgliedstaaten, wie auch die Kommission in ihrem Bericht über die Nitratberichterstattung 2012 festgestellt hat.“

Das alte Messstellenkonzept ist auch aus den Reihen der Landwirtschaft vielfach kritisiert worden, weil durch Auswahl und Zahl der Messstellen Deutschland im EU-Nitrat-Ranking schlechter dastand, als dies eigentlich der Fall war.

Nitrat und Landwirtschaft

„An den hohen Nitratwerten im Grundwasser ist nur die Gülle schuld“, titeln die Gazetten landauf landab derzeit. Das stimmt so auch nicht. Unter der Webadresse geoportal.de kann man die folgende Karte abrufen:

geoportal-de-karte_nitrat

Rot dargestellt sind die Grundwasserkörper, die sich in einem schlechten chemischen Zustand befinden. Orange zeigt an, wo sich intensive Viehhaltung befindet. Damit wird klar: Intensive Viehhaltung ist weder eine notwendige noch eine hinreichende Bedingung für eine hohe Nitratbelastung des Grundwassers. Das bedeutet: Es ist nicht der Fall, dass dort, wo viele Tiere auf der Fläche gehalten werden, immer das Grundwasser belastet ist. Und: Es ist auch nicht der Fall, dass dort, wo das Grundwasser belastet ist, immer viele Tiere auf der Fläche gehalten werden. Das muss auch das UBA einräumen:

„Einige Regionen in Deutschland weisen trotz hoher Viehdichte keine erhöhten Nitratgehalte auf. Grund dafür können einerseits hohe Niederschläge und anderseits natürliche Denitrifikationsprozesse sein.“

Der Ausdruck „natürliche Denitrifikationsprozesse“ meint, dass Nitrat durch bestimmte Substanzen im Boden gebunden wird. Damit kann es aber ganz schnell vorbei sein, warnt das UBA:

„Bei diesen Prozessen werden allerdings bestimmte Chemikalien, mit denen das Nitrat reagiert und dadurch „unschädlich“ gemacht wird (sog. Reaktionspartner), verbraucht. Im Laufe der Zeit verringert sich also das Nitratabbaupotential immer weiter. Das kann so weit gehen, dass es innerhalb kurzer Zeit zu einem sprunghaften Anstieg der Nitratbelastung kommt (Nitratdurchbruch). „

Neben Tierhaltung wird häufig der Gemüseanbau als Ursache für Nitratbelastungen im Grundwasser genannt, weil der Düngebedarf in diesen Kulturen sehr hoch ist. Das UBA bleibt uns jedenfalls eine Erklärung, wie die anderen Nitratbelastungen entstehen, schuldig.

 

6 Antworten zu „Zweierlei Maß und ein paar Begriffe”.

  1. Avatar von IchbindeingrößterFan
    IchbindeingrößterFan

    Wenn Nitrat so giftig wäre, wieso ist dann eigentlich das oft so als heilsam verrufene Gemüse eine Nitratbombe? Brauchts ja auch viel davon^^ Vegane Heuchelei, Deja Vu anyone?

    Sollte doch einfach mal als Gegenkampagne herhalten können, aber das mag die Landwirtschaft dann auch wieder nicht, wies scheint :>

    https://www.lgl.bayern.de/lebensmittel/chemie/kontaminanten/nitrat/

    Also ein Salatkopf etwa so „gefährlich“ wie 10-40 Liter hochgefährliches vergiftetes Nitratwasser über den Grenzwerten!!! *KREISCH!

    WAHNSINN! WIESO WARNT NIEMAND DIE KONSUMENTEN? DIE BRINGEN SICH DOCH ALLE UM MIT DEM SALATGIFT?

    Mütter glauben die würden mit Salat ihre Kinder gut ernähren, das ist doch Wahnsinn was die Gemüsemafia da an Verbrechen unter die Leute bringt! Oder: Wer hat hat da zuviel am Salat genascht?

    Hm könnte es sein das Nitrat gar nicht so schilmm ist und ein wichtiger Pflanzennährstoff ? ;> Aber diese Information wäre das Aus für die Grün-Öko-Lügenpropaganda. Keiner hätte mehr Angst vor dem bissi Nitrat im Trinkwasser und die politische Agenda dieser NGOs und Parteienkrakeler ein Profilierungs-Thema weniger.

    Aufkärung war Ideologen schon immer zuwieder.

    1. Avatar von Andreas Schmid
      Andreas Schmid

      Eine Portion Salat auf den Teller enthält durchschnittlich soviel Nitrat wie 10 oder 20 Liter Leitungswasser. Im Winter ist es eher noch mehr Wasser.

  2. Die dargestellte Karte von geoportal.de ist irreführend, da hier offensichtlich nur die „ganz großen“ Ställe dargestellt werden. Und davon gibt es beispielsweise im Thüringer Becken aufgrund der DDR-Historie relativ viele. Tatsächlich ist dort die Viehdichte aber sehr gering, und trotzdem gibt es dort Probleme mit dem Nitrat.

    Aussagekräftiger wäre daher eine Karte, die die Großvieheinheiten pro Hektar zeigt, z.B. die hier:
    http://buel.bmel.de/index.php/buel/article/viewFile/82/Nutztiergutachten%20-%20Sonderheft%20221%20-%20B%C3%BCL-html/1018

  3. […] Bloggerin Schillipaeppa hat es in ihrem Blogpost „Zweierlei Maß und ein paar Begriffe“ auf den Punkt […]

  4. […] schillipaeppa.net: Zweierlei Maß und ein paar Begriffe […]

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