Und noch ein Leserbrief an die Süddeutsche Zeitung

Leserbrief zu „Glyphosat-Prüfer in der Kritik

Liebe Redaktion,

zu diesem Artikel habe ich ein paar Anmerkungen.

Frau Liebrich schreibt:

„Eine Expertengruppe der WHO stellte gerade erst fest, dass bei früheren Prüfungen innerhalb der Organisation kritische Studien nicht berücksichtigt wurden.“

Der Satz legt nahe, dass das WHO/FAO-Gremium „Joint Meeting on Pesticide Residues“ (JMPR) bestimmte vorliegende Studien – aus Fahrlässigkeit oder sogar Boshaftigkeit (?) – nicht berücksichtigt hat. Das ist aber nicht der Fall. Der Unterschied im Datenpool ist vor allem darauf begründet, dass die letzte Überprüfung durch das JMPR in 2004 war und die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation WHO in 2015 eine Einordnung vorgenommen hat. Es ist ja völlig klar, dass sich in 11 Jahren (!) Forschung eine Menge tut. Leider wird der Leser über diesen trivialen Umstand nicht informiert und es wird – bewusst oder unbewusst (?) – ein anderer Anschein erweckt.

Die Task Force kritisiert in keinster Weise das bisherige Vorgehen des JMPR. Das BfR schreibt in seiner Stellungnahme vom 21.09.2015:

„Die Einschätzung der Taskforce betrifft nicht die EU-Wirkstoffprüfung. Die Empfehlungen der Expertengruppe sind ausschließlich ein Indiz dafür, dass die Bewertung von Glyphosat durch das JMPR aus dem Jahre 2004 unter Einbeziehung der von IARC 2015 zitierten Studien und auch den in Europa 2015 bewerteten Studien aktualisiert werden sollte.“

Der Artikel zitiert Prof. Greiser:

„Als Beispiel nennt Greiser eine Studie aus dem Jahr 2003. Die hatte sich mit Männern beschäftigt, die beruflich mit verschiedenen Pflanzenschutzmitteln, darunter Glyphosat, zu tun hatten. Dabei wurde ein erhöhtes Risiko für Lymphdrüsenkrebs festgestellt. Die BfR-Prüfer bezeichnen die Studie als „unglaubwürdig“, weil brauchbare Informationen über die Dauer der Exposition und die Konzentration sowie Angaben zur Krankengeschichte und Lebensstilfaktoren wie etwa Rauchen fehlten.

Laut Greiser lassen sich entsprechende Angaben jedoch sehr wohl in der Studie finden. Auch eine Studie über Fehlgeburten bei Frauen sei zu unrecht als unzuverlässig eingestuft worden.“

Leider wird der Leser im Dunkeln gelassen, um welche Studien es genau geht. Vermutlich bezieht sich Prof. Greiser auf die Studie De Roos et al. 2003. Hier wurde ein OD Wert („OD“ gleich „odds ratio“) von 1,6 bzw 2,1 für Glyphosat ermittelt, das ist ein sehr schwacher statistischer Zusammenhang. Hinzu kommt, dass die Analyse sich auf insgesamt 47 verschiedene Pestizid-Wirkstoffe bezieht. Hier alles Hintergrundrauschen rauszurechnen, ist unmöglich. Der Satz „Dabei wurde ein erhöhtes Risiko für Lymphdrüsenkrebs festgestellt.“ ist somit schlicht falsch.

Erwähnenswert wäre zudem noch gewesen, dass Prof. Greiser bereits mehrere Auftragsarbeiten für die Grünen abgeliefert hat, zum Beispiel zum Thema Fluglärm sowie zum Thema Atomkraft. Wie glaubwürdig ist so ein Mann?

In seiner Stellungnahme vom 22.09.2015 schreibt das BfR:

„Hinsichtlich der begrenzten Hinweise für die Kanzerogenität von Glyphosat beim Menschen besteht keine Divergenz zwischen BfR und IARC.“

Das Erkenntnisinteresse beider Institutionen ist ein anderes: Das BfR hat die Aufgabe, zu ermitteln, ob ein konkretes Risiko für Anwender und Konsumenten besteht. Die IARC untersucht die mehr oder weniger theoretische Potenz eines Akteurs. Das sind zwei Paar Schuhe, für deren Herstellung ich unterschiedliche Werkzeuge benutzen muss. So hat die IARC auch Studien hinzugezogen, wo Gemische mit Glyphosat zum Einsatz gekommen sind. Jedoch um zu entscheiden, ob ein Wirkstoff ein Risiko birgt, sind solche Studien ungeeignet. Für die Definition der IARC ist das nicht so kriegsentscheidend:

„Gruppe 2A bedeutet, dass die Substanz wahrscheinlich krebserregend für Menschen ist. Diese Kategorie wird dann benutzt, wenn es begrenzte Hinweise gibt für Kanzerogenität beim Menschen und ausreichende Hinweise für Kanzerogenität in Tierversuchen. „Begrenzte Hinweise“ bedeutet, dass eine positive Beziehung zwischen einer Exposition mit dem Akteur und Krebs beobachtet wurde, aber andere Erklärungen für die Beobachtungen (Zufall, Messabweichung, Verzerrung) nicht ausgeschlossen werden können. Diese Kategorie wird ebenfalls dann benutzt, wenn es begrenzte Hinweise gibt für Kanzerogenität beim Menschen und ein Mechanismus bekannt ist, wie der Akteur Krebs erzeugt.“

Für die IARC ist bei Einordnung in Gruppe 2A also noch o.k., wenn nicht ausgeschlossen werden, dass es andere Gründe für die beobachtete Krebserkrankung gibt. Für die Risikobewertung des BfR ist das nicht o.k. Manche Studien bringen mir keinen Erkenntnisgewinn hinsichtlich eines konkreten Risikos, und das festzustellen, ist bereits eine Form der wissenschaftlichen Bewertung.

Noch ein Hinweis zur Bildunterschrift

„Glyphosat gilt als meistverkauftes Pestizid der Welt. In Deutschland wird es unter anderem eingesetzt, damit Getreide schneller reift.“

Die letzte Aussage ist so nicht richtig. Seit 2014 ist bei uns die Sikkation zur Erntebeschleunigung bzw. -erleichterung mit Glyphosat verboten. Ich habe Frau Liebrich bereits am 26. Juni 2015 in einer E-Mail darauf hingewiesen.

Wenn man den Anspruch hat, eine wissenschaftliche Diskussion zu begleiten und zu bewerten, und das tut Frau Liebrich, dann sollte man auch entsprechend tief in die Sache einsteigen und dem Leser nicht ständig relevante Details vorenthalten.

Mit freundlichen Grüßen

Susanne Günther

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1 Kommentar zu „Und noch ein Leserbrief an die Süddeutsche Zeitung“

  1. Diese Frau Liebrich ist in meinen Augen als Journalistin untragbar. Man könnte meinen, dass sie einfach nur schlecht recherchiert, aber mittlerweile liegt nahe, dass sie bewusst Details unterschlägt und somit Partei ergreift. Mit objektivem Journalismus hat das nichts mehr zu tun.

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