Der Discounter LIDL versucht mit einer neuen Greenwashing-Kampagne Kunden zu gewinnen: Frischmilch-Produkte werden seit Mitte Juli mit dem „Ohne Gentechnik“-Label verkauft. Heute erschien dazu eine ganzseitige Anzeige in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ).
Die Bauern sollen die Mehrkosten für die „gentechnikfreie“ Fütterung ersetzt bekommen. So heißt es in einer Presseerklärung vom 7. Juli 2016:
„Für den Mehraufwand der Landwirte durch den Einsatz gentechnikfreier und bevorzugt heimischer Futtermittel zahlt Lidl einen gemeinsam vereinbarten Zuschlag an die Milchbauern.“
Dieser Aufschlag solle aber nicht an die Kunden weitergegeben werden:
„Diesen Zuschlag werden wir allerdings nicht an unsere Kunden weitergeben und freuen uns, zum gewohnt günstigen Preis echte Mehrwerte für unsere Kunden und Landwirte schaffen zu können“
zitiert die Presseerklärung Julian Beer, als Geschäftsführer verantwortlich für den Einkauf des Molkereisortiments. Im September solle „gentechnikfrei“-zertifizierter Käse folgen.
Mich ärgert diese Deklarierung, weil sie suggeriert, dass Gentechnik schlecht sei und man sie vermeiden müsse. Das ist meiner Ansicht nach nicht der Fall. Im Gegenteil: Gerade in Entwicklungsländern leistet Grüne Gentechnik gute Dienste, wenn es darum geht, Pestizide einzusparen und die Einkommen der kleinen Bauern zu verbessern. Das „Ohne Gentechnik“-Label betoniert den Aberglauben an die bösen Agrarkonzerne in den Köpfen der Bevölkerung und damit in der öffentlichen Meinung. Diese öffentliche Meinung wiederum beeinflusst die Politik, die ungern unpopuläre Entscheidungen trifft. Uns kostet es auch beinahe nichts, hierzulande auf Gentechnik zu verzichten. Diese Ideologie allerdings wird exportiert und in den armen Ländern schadet sie den Menschen.
In Entwicklungsländern erledigen häufig Kinder die Pflanzenschutzarbeiten, auch wenn es offiziell verboten ist. Wenn sich Pestizide sparen lassen, wie beim Anbau von gentechnisch verbesserten Auberginen in Bangladesch, ist das für die Gesundheit der Menschen vor Ort ein unschätzbarer Gewinn.
Bei Lichte betrachtet hat die „gentechnikfreie“ Milch keinen Mehrwert für den Verbraucher. Sie ist aus ernährungsphysiologischer Sicht nicht in irgendeiner Weise wertvoller oder sicherer. Offensichtlich weiß der Verbraucher den angeblichen Mehrwert auch nicht zu würdigen, oder wie soll man die jetzige Preisoffensive – 42 Cent für den Liter Frischmilch 1,5 % – deuten?
Der Bauer kann bei der Fütterung seiner Kühe die Soja-Komponente durch Rapsschrot ersetzen oder er kauft teureres „gentechnikfreies“ Soja ein. Futtermittel unterliegen allerdings Preisschwankungen. Ich habe LIDL per E-Mail gefragt, wie sie diese Varianz in der Vergütung ausgleichen, und habe folgende Antwort bekommen:
„Die Vergütung erfolgt über einen gemeinsam mit den Landwirten und Molkereien vereinbarten Aufschlag. Dieser wird – vertraglich klar geregelt – über die Molkereien direkt an die Landwirte weitergeleitet. Dieser Aufschlag überkompensiert die effektiven Kosten für gentechnikfreies Futter. Preisschwankungen sind nicht vorhersehbar. Jedoch führt LIDL im Rahmen von dem Regionalkonzept „Ein gutes Stück Bayern“ seit etwa sieben Jahren gentechnikfreie Milch. Daher verfügt LIDL über sehr gute Erfahrungen in diesem Thema und konnten die Kosten bisher ausnahmslos in dieser Zeit überkompensieren.“
Bauer Willi hatte über das Projekt „Ein gutes Stück Bayern“ in seinem Blog berichtet: Von anfangs 230 Betrieben sind 60 übrig geblieben, und selbst die produzierten Bauer Willis Recherchen zufolge mehr „gentechnikfreie“ Milch, als am Markt untergebracht werden konnte.
Laut den Mediadaten der Faz (Seite 15) hat LIDL für die heutige Anzeige 78.990,00 Euro (netto!) hingeblättert. Hätte der Discounter dieses Geld besser den Bauern gegeben!
Gen over? „Deal over!“ würde ich sagen. Ich kaufe diese Milchprodukte nicht mehr.
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