Aktualisiert am 16.06.2016, 13:40

Heute veröffentlichte die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihre Neubewertung für Kaffee. Hatte die Agentur Kaffee vor 25 Jahren noch als „möglicherweise krebserregend“ (Gruppe 2B) klassifiziert, so wurde das Getränk heute runtergestuft zu „nicht klassifizierbar“ (Gruppe 3).

Ein erhöhtes Krebsrisiko entsteht der IARC zufolge, wenn sehr heiße Getränke, das heißt ab 65 ° C und darüber, konsumiert werden. Sehr heiße Getränke werden somit ab sofort in Gruppe 2A („wahrscheinlich krebserregend“) geführt.

Ist das jetzt ein Freifahrtschein für Kaffeesüchtige? Mitnichten. Die IARC schreibt:

„An evaluation of not classifiable as to its carcinogenicity to humans (Group 3) does not mean that a substance has been proven to be safe. It means that the existing scientific data do not enable a conclusion to be made about whether it causes cancer.“

Die Einteilung in die IARC-Gruppen erfolgt aufgrund der Stärke der Evidenz und ist kein Indiz dafür, ob ein Gesundheitsrisiko vorliegt oder nicht. Gruppe 3 bedeutet, dass man auf Basis der vorliegenden Daten nicht abschließend beurteilen kann, ob eine Substanz krebserregend ist oder ob sie nicht krebserregend ist.

Dieser Tweet der Tagesschau ist somit mal wieder ein Muster-Beispiel, wie Informationen von den Medien heutzutage falsch aufbereitet werden. Denn auch für die Bewertung „nicht krebserregend“ (Gruppe 4) hat die Evidenz nicht gereicht.

Die Entscheidung kam für manche überraschend, für Experten allerdings nicht: Bei den Studien, denen die IARC-Arbeitsgruppe das größte Gewicht zuweist (Kohorten- und Fallkontrollstudien mit angemessener Kontrolle von Tabak- und Alkoholkonsum) war kein konsistenter Zusammenhang zwischen Kaffeekonsum und Blasenkrebsrisiko festzustellen. Den in einzelnen Studien, zum Beispiel in einer  Meta-Studie aus 2015, nachgewiesene Zusammenhang konnte die Arbeitsgruppe insbesondere auf eine nicht ausreichende Berücksichtigung von Tabakkonsum zurückführen.

Im vergangenen Jahr hatte sich die Arbeitsgruppe, die Glyphosat bewertet hat, an wenige einzelne Studien geklammert, um ihre Bewertung zu begründen, darunter eine Hochdosis-Mäusestudie aus den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Die Studien, die keine Korrelation aufzeigten, wurden nicht entsprechend gewichtet. Wäre die IARC-Arbeitsgruppe, die die Heißgetränke jetzt bewertet hat, ähnlich  vorgegangen wäre das Urteil über Kaffee anders ausgefallen. Die Tierstudien zu Kaffee hat sie zum Beispiel als nicht geeignet angesehen, um daraus Schlüsse zu ziehen. Dr. Dirk Lachenmeier vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe war Mitglied des IARC-Teams und schreibt in einer E-Mail: „Im Gegensatz zu Glyphosat gibt es für Kaffee eine unglaubliche Vielzahl an epidemiologischen Studien. Unter Berücksichtigung der Studienqualität ist die IARC Arbeitsgruppe zu der Gesamtevaluation gekommen.“

Hier ein paar Reaktionen aus dem Netz:

 

Eine Antwort zu „Alles kalter Kaffee?”.

Kommentar verfassen

Angesagt