Das Europäische Parlament hat diese Woche eine Resolution verabschiedet: Das Gremium fordert darin ein endgültiges Verbot des Herbizid-Wirkstoffs Glyphosat bis zum Jahr 2022. Auf Twitter wird diese Meldung illustriert mit einem Flugzeug, das anscheinend Pflanzenschutzmittel ausbringt, – ein Verfahren, das in der EU für landwirtschaftliche Zwecke verboten ist:

Es ist nicht die erste Entscheidung des Parlamentes zum Thema: Im April 2016 verabschiedete das Gremium einen Beschluss, Glyphosat für sieben Jahre zuzulassen, und forderte die EU-Kommission auf, einen Plan zu erarbeiten, wie der Einsatz des Mittels reduziert werden könnte.

Der neue Beschluss ist bedeutend weitreichender. Wie kam es zu diesem Sinneswandel im Parlament? Schließlich hat die Europäische Chemikalienbehörde ECHA noch im März den oft zitierten vermeintlichen Krebsverdacht aus der Welt geräumt. Verblüffend ist folgende Formulierung aus der Pressemitteilung:

„Die Veröffentlichung der so genannten „Monsanto-Papers“, interne Dokumente des Unternehmens, welches Roundup® besitzt und produziert, von denen Glyphosat der Hauptwirkstoff ist, wirft darüber hinaus Zweifel an der Glaubwürdigkeit einiger Studien auf, die in der EU-Bewertung zur Sicherheit von Glyphosat verwendet wurden.

Das Zulassungsverfahren der EU, einschließlich der wissenschaftlichen Bewertung von Stoffen, sollte sich nur auf veröffentlichte, von Fachleuten geprüfte und unabhängige Studien stützen, die von den zuständigen Behörden in Auftrag gegeben wurden. Die EU-Agenturen sollten verstärkt werden, damit sie auf diese Weise arbeiten können.“

Hier wird NGO-Sprech 1:1 übernommen. Die eindeutige Entscheidung der ECHA wird ignoriert, die Arbeit vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sowieso.

Darüber hinaus frage ich mich, wie ein Enddatum der Genehmigung rechtlich zu gestalten ist? Wenn die Hersteller wieder einen Antrag auf Verlängerung der Genehmigung stellen, muss der erst einmal bearbeitet werden. Und eine Genehmigung kann auch nicht, sofern die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, mit Verweis auf einen Parlamentsbeschluss von vor ein paar Jahren vorenthalten werden. Das nennt sich Rechtsstaat. Kurzum: Was soll dieses Theater – alles nur politische Symbolik, um dem Zeitgeist hinterher zu rennen und ein paar Populismus-Gummipunkte zu sammeln? Aber, zu welchem Preis? Die Europäische Kommission gerät weiter unter Druck. Der schwarze Peter, den sie wahrscheinlich letztlich doch zugesteckt bekommen wird, wird dadurch immer größer. Das Verhalten der Kommission wird immer weniger nachvollziehbar und immer unglaubwürdiger. Schafft man so Vertrauen in die Regularien, Abläufe und Einrichtungen der Europäischen Union? Nein!

Und was ist mit den Interessen der Mitgliedstaaten? Einige Länder befürworten die Verlängerung der Genehmigung. Die regionalen Bedingungen für Landwirtschaft sind in Europa sehr unterschiedlich. Auch wenn wir in der EU harmonisierte Regeln anstreben, sollte doch den Bedürfnissen der Menschen vor Ort Rechnung getragen werden.

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Quelle: transgen.de

Warum dürfen Politiker aus Deutschland mit klarer ideologischer Mission Landwirten in Spanien und Portugal vorschreiben, ob dort gentechnisch verbesserter Mais angebaut werden darf oder nicht? Im Vorfeld des Brexit-Referendums in Großbritannien hat die Glyphosat-Hängepartie auch eine Rolle gespielt. Es ist auf der Insel durchaus zur Kenntnis genommen worden, dass die EU-Gremien für innenpolitische Machtkämpfe missbraucht worden sind. So fährt man die europäische Idee vor die Wand!

Was auch immer das Europäische Parlament beschließt, es hat nur Empfehlungscharakter, auch wenn sich die Schlagzeilen in der Presse anders lesen und dort vielfach bereits das endgültige Aus von Glyphosat gefeiert wird. Entscheidend ist, was ein Expertengremium der Mitgliedstaaten, der Ständige Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Nahrungs- und Futtermittel (PAFF), beschließt. Und wenn der PAFF keine Weisung erteilt, muss die EU-Kommission entscheiden. Der PAFF konnte in dieser Woche wieder keine qualifizierte Mehrheit für eine Verlängerung der Glyphosat-Genehmigung erzielen. Und so geht das Trauerspiel weiter. Besonders beschämend finde ich, dass Deutschland als das Land, das die Risikobewertung für Glyphosat beigesteuert hat, sich enthalten hat, weil das die Regeln für eine Koalition so vorsehen, die nur noch geschäftsführend im Amt ist.

Was bei der zu fällenden Entscheidung bislang nicht ausreichend betrachtet wurde, sind die Konsequenzen eines Glyphosat-Verbotes für die Landwirtschaft und auch für die Umwelt. Jetzt, wo das Kind schon fast in den Brunnen gefallen ist, hat auch die Presse dieses Thema entdeckt und entsprechende Beiträge sprießen wie Pilze aus dem Boden. Unter „Links“ habe ich eine Auswahl zusammengestellt. Hoffentlich ist es für eine vernünftige politische Entscheidung noch nicht zu spät.

Links:

• Glyphosat und Krebs: Vergiftete Debatte

• Wie gefährlich ist Glyphosat?

• Glyphosat-Verbot: Gift für die Landwirte

• Glyphosat: Einsatz als kleineres Übel

• Gute Alternativen zu Glyphosat sind dünn gesät

Alternativlos oder zu gefährlich? – Um Glyphosat wird hitzig gerungen

• Bullinger: Bei Glyphosat-Verbot erwarte ich auch Ausstieg des Ökolandbaus aus Kupferausbringung

Ban on weedkiller glyphosate won’t save anyone from cancer

The Glyphosate Scandal

 

Bildnachweis: Europäische Kommission

Eine Antwort zu „Kommentar: Europa, quo vadis?”.

  1. Vor zwei Tagen hat auch der österreichische „Standard“ einen hervorragenden Kommentar zum Trauerspiel um Glyphosat gebracht. Falls Sie den Beitrag noch nicht kennen:
    https://www.derstandard.de/story/2000067100852/woran-es-in-der-glyphosat-debatte-mangelt
    Leider nur bleibt zu befürchten, dass man hierzulande mit rationalen Argumenten nicht mehr viel wird ausrichten können.

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