Kürzlich durfte ich beim Landvolk Mittelweser einen Vortrag halten. Der Titel lautete „Heute noch Bauer werden? – Zwischen gesellschaftlichen Ansprüchen und wirtschaftlichen Zwängen“. Am Ende habe ich auch eine persönliche Antwort auf diese Frage gegeben, dazu später.

Die Lage der Landwirte momentan habe ich versucht mit einem Bild dazustellen – mit einem Mahlwerk: Unten gibt es eine feste Schale, an der nicht viel zu ändern ist. Obendrüber dreht sich ein unentwegt ein schwerer Mahlstein. Die Schale steht für konstante Größen wie den Standort des landwirtschaftlichen Betriebes. Wenn sich Rahmenbedingungen ändern, kann so ein Betrieb nicht einfach umziehen. Land und Gebäude bilden schließlich die Basis. An den ruinösen Erzeugerpreisen, die der Lebensmitteleinzelhandel zahlt, wird sich m. E. in naher Zukunft nichts ändern, auch wenn Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner keine Gelegenheit auslässt, die Verbraucherinnen und Verbraucher zu beschwören, doch mehr Wertschätzung für ihre Nahrung an den Tag zu legen. Im Gegenteil: Ich glaube, die niedrigen Preise sind politisch gewollt („Brot und Spiele“). Wir steuern auf wirtschaftlich schwierige Zeiten zu mit Tausenden von Entlassungen bei großen Industriebetrieben. Darüber hinaus werden demnächst Klimapakete dem Bürger die Geldbörse erleichtern, da sichert billiges Essen den sozialen Frieden. Rechtliche Rahmenbedingungen und die eigene Leistungsfähigkeit  begrenzen den Aktionsradius zudem. Das Rad, das sich über dieser Basis dreht, wird angetrieben von den sogenannten gesellschaftlichen Anforderungen: Essen soll keine Chemie enthalten, Nutztiere müssen sich wohlfühlen, das Klima muss geschützt werden und die Biene sowieso. Hinzu kommen Anforderungen, die sich aus dem Rechtsrahmen der Europäischen Union (EU) ergeben. Die zahlreichen Zielkonflikte, die so ein Konglomerat mit sich bringt, (er)kennen nur Insider. Die Bauern sind das Getreide dazwischen und das wird zerrieben:

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Nun stellt sich die Frage, ob sich an dieser Situation grundlegend etwas ändern lässt. Man kann natürlich versuchen, die Wolke mit den „Anforderungen“ zu beeinflussen: Öffentlichkeitsarbeit mit Betriebsbesichtigungen, Schulklassen, Presseeinladungen hilft bestimmt. Und es hilft auch, mit Treckerdemos eine breitere Öffentlichkeit auf die Situation der Bauern aufmerksam zu machen. Sorgen macht mir die Politik. Denn Politikerinnen und Politiker orientieren sich weniger an wissenschaftlicher Evidenz als an dem, was man bei Koalitionsverhandlungen ausgehandelt hat oder was gerade im medial transportierten Diskurs en vogue ist. Glyphosat ist zum Beispiel derzeit nicht in Mode, Ministerin Julia Klöckner dazu: „Es gibt ja zu Glyphosat so viele Studien, die sich zum Teil auch widersprechen. Aber politisch gesehen ist es ein totes Pferd.“ Es kommt nicht mehr darauf an, was sachlich richtig und was falsch ist, es geht nur noch darum, was sich durchsetzen lässt – oder klassisch nach Max Weber: „Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“ Als Bauer ist man da mitsamt Familie und Existenz nur Verhandlungsmasse.

Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Müsste ich heute am Tage entscheiden, ob eines meiner Kinder eine landwirtschaftliche Ausbildung beginnen soll mit dem Ziel, später einmal den Betrieb zu übernehmen, wäre meine Antwort: Nein!

Die unternehmerischen Risiken sind einfach zu hoch. Warum sollte man sich das antun? Und es gibt da ein strukturelles Problem: Ich plane eine Investition in der Landwirtschaft, einen Stallneubau oder eine Biogasanlage, für eine Nutzungszeit von zehn, eher von zwanzig Jahren. Die Legislaturperioden des politischen Personals dauern aber nur vier bzw. fünf Jahre. Das passt nicht übereinander. Wir haben das hier selbst erlebt: In 2005 wurde unsere neue Biogasanlage groß als Leuchtturmprojekt u. a. mit dem damaligen hessischen Umweltminister vor Ort gefeiert, keine zehn Jahre später bist Du in der Debatte der Bösewicht, der die Landschaft vermaist – und das völlig unabhängig davon, ob sich der Maisanteil in Deiner Region überhaupt erhöht hat oder nicht. Warum soll man sich das antun? Wir haben uns das EEG nicht ausgedacht, das war ein Angebot der Gesellschaft. Selbst auf Bestandsschutz kann man sich nicht mehr verlassen, siehe das Magdeburger Kastenstandurteil. Es gibt Bauern, die warten derzeit mit dem Baubeginn genehmigter Projekte, weil sie befürchten, dass neue Haltungsverordnungen mit eventuellen anderen Anforderungen die Rentabilität des Stalls gefährden werden. Ohne Kapitalgeber in der Hinterhand sind solche Risiken eigentlich gar nicht mehr zu stemmen.

Kurzum: An der Situation, zwischen den Steinen zerrieben zu werden, wird sich grundsätzlich nichts ändern. Auch wird es weiterhin immer neue Forderungen an die Landwirtschaft geben. Man stelle sich einmal vor: Ungeachtet aller Zielkonflikte, würde die Landwirtschaft alle Anforderungen der NGOs erfüllen. – Würden die Aktivisten dann ihre Büros abschließen und nach Hause gehen? Das wird doch nie passieren! Entweder die NGOs suchen sich ein neues Themengebiet oder sie steigern die Anforderungen und hängen das Stöckchen ein bisschen höher, von dem sie der Politik erzählen, dass sie drüber hüpfen soll. Und auf die Politik kann man sich zur Zeit nicht verlassen.

Landwirtschaft ist ein toller Beruf: Draußen sein, mit und in der Natur arbeiten, sich um Tiere kümmern, mit Technik beschäftigen. Diese Vielfalt ist sehr attraktiv, die Verdienstmöglichkeiten weniger. Daher ist es eine sehr persönliche Entscheidung, ob man Bauer werden will oder nicht. Meinen Kindern jedenfalls werde ich davon abraten. Da greift schlichtweg das ökonomische Vorsorgeprinzip!
Bildnachweis: Auschnitt aus Uwe Glaubach – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0,

4 Antworten zu „Heute noch Bauer werden?”.

  1. Avatar von Madeleine Nass | Bonn
    Madeleine Nass | Bonn

    Wenn man bedenkt, dass die Bauern für die meiste Zeit der Menschheit die wichtigste Gruppe überhaupt waren ist es schändlich, wie die links-grün verbrämmten Politiker und Städter mit uns umgehen.

  2. Landwirtschaftsministerin Klöckner wird die Bauern nicht unterstützen, sie versucht nur zu beschwichtigen, mehr ist von dieser Politikerin nicht zu erwarten.

    Dann gibt es noch einen weiteren wichtigen Aspekt, den man beachten soll: Nach meiner Kalkulation machen Bauern maximal einen Anteil von 0,9 Prozent an den Wahlberechtigten aus. Da kann man getrost davon ausgehen, dass sich Politiker keinerlei Gedanken um diese Gruppe machen. Weshalb sollen sie es auch tun?

    Es gibt noch zwei sehr wichtige Dinge, die die Bauern falsch machen:

    Sie haben es verschlafen per professioneller PR ein positives Image ihrer Branche aufzubauen. Stattdessen gehen sie seit Jahren stetig mit großem Tamtam an die Öffentlichkeit, wenn sie Subventionen verlangen, weil die Ernten naturgemäß mehr oder weniger großen Schwankungen unterworfen sind, was zum ganz normalen (wenn auch sehr unangenehmen) Unternehmerrisiko eines Landwirtes gehört. Dieses Verhalten prägt das Image der Bauern in der Öffentlichkeit. Die Bauern sind in erster Liniel selber schuld an ihrem negativen Image.
    Sie haben eine Berufsvertretung/Lobby, nämlich der Bauernverband, der eine Unterorganisation der CDU ist. Es ist dringend nötig hier eine „eigene“ Berufsvertretung, einen neuen Bauernverband zu installieren, der dann wirklich und entsprechend hartnäckig und professionell die Interessen der Landwirte vertritt. Es ist nicht zu verstehen, dass die Landwirte hier nicht endlich etwas unternehmen, das ist mehr als überfällig.

    Es liegt auch nicht an den Verbrauchern, dass Bauern zu wenig Geld für ihre Produkte bekommen, auch wenn Politiker und Politikerinnen (aller Parteien) das so kommunizieren.
    Auch diese FakeNews sollten die Landwirte gegenüber der Bevölkerung klarstellen. Es kommt nicht gut an bei den Verbrauchern, wenn sie hier als Verursacher für Einkommensprobleme der Bauern hingestellt werden.

    1. Avatar von Schorsch Summerer
      Schorsch Summerer

      Mit der PR gebe ich Ihnen recht. Allerdings sind viele Bauern von ihrer Arbeit begraben worden. 3000 und mehr Arbeitsstunden im Jahr sind eher die Regel als die Ausnahme.
      Doch bei Ihrer nächsten Aussage muss ich Ihnen widersprechen. Die Subventionen waren ein Angebot der Gesellschaft als Ausgleich dafür dass im Ausland billiger produziert wird und weniger Auflagen gelten. Und es war der Tatsache geschuldet dass die Landwirtschaft es geschafft hat die gesammte Bevölkerung mit Lebensmittel zu versorgen was in der Folge das Spiel Angebot ausser Kraft gesetzt hat. Es war schlicht unerwünscht dass Lebensmittel mal nicht zur Verfügung stehen könnten. So gesehen ein Markteingriff um zu verhindern dass die Landwirtschaft in Deutschland bzw Europa ähnliche Grossstrukturen wie in den USA aufbaut.
      Das mit dem Bauernverband kann man so stehen lassen. Es ist genau so.
      Komplizierter wird es mit dem Verbraucher, Er ist Wähler. Der Verbraucher wählt die Politiker die über die Landwirtschaft entscheiden. Gegen die Interessen der Verbraucher zu handeln schadet dem Politiker und dem Landwirt. Wenn der Landwirt also etwas will muss er den Verbraucher für sich gewinnen um dann die Politiker zu wählen die dann entsprechend abstimmen. Dazu muss dem Verbraucher aber auch klargemacht werden was seine Interessen sind. Da liegt auch das Problem. Der Verbraucher muss die Folgen seinens Handelns sehen oder begreifen und derzeit will er vor allem billig dann mit Zusatznutzen (Bio, ohne Gentechnik, regional, Tierwohl, usw) ohne dieses bezahlen zu müssen! Und das geht nun mal nicht! So etwas muss man als Bauer auch aussprechen dürfen ohne gleich beim Verbraucher eine beleidigte Leberwurst zu erzeugen. Der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach! heisst es so schön. Das kennen wir Bauern auch.

      1. wie sollen aber mittlerweile nur noch 1% der Gesamtbevölkerung, die Meinung von 99% Ahnungslosen, die ihre Wissen nur über schlecht recherchierte Medien bekommen, beeinflussen? Schwierig.

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