Derzeit wird in den Medien wieder ein Disput gefeiert, der eigentlich keiner ist: Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Herbizid-Wirkstoff Glyphosat als “wahrscheinlich krebserregend” (Kategorie 2A) eingestuft. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) würde das anders einschätzen, heißt es, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) würde der BfR-Bewertung folgen. Letztlich sind IARC und BfR in der Bewertung einzelner Studien gar nicht so weit auseinander, beide Institutionen ziehen aber andere Schlussfolgerungen.
Während die IARC aufgrund einer Mäusestudie, bei denen den Tieren Glyphosat hochdosiert verabreicht worden ist, einen Zusammenhang zur Krebsentstehung feststellt, ist diese Studie für das BfR nicht ausschlaggebend, weil in der Praxis diese hohen Dosierungen nicht vorkommen. Die IARC stellt grundsätzlich fest, ob ein Akteur das Potenzial besitzt, Krebs zu erzeugen – unter welchen Bedingungen auch immer. Das BfR muss abschätzen, ob in unserem Alltag ein Risiko von dieser Substanz ausgeht. Es geht hier um den Unterschied von Gefahr („hazard“) und Risiko („risk“).
Der Unterschied zwischen Gefahr und Risiko lässt sich an einem Beispiel schön erläutern: Haie sind grundsätzlich für Schwimmer, Surfer und Taucher eine Gefahr. Weltweit werden jährlich rund 70 Hai-Angriffe gemeldet, etwa zehn Prozent dieser Attacken gehen für den Menschen tödlich aus. Das ist die Gefahr. In der Nordsee allerdings gibt es nur Dorn- und Katzenhaie und die sind für den Menschen gänzlich ungefährlich. Das Risiko also, in der Nordsee von einem Hai attackiert zu werden, geht gegen Null.
Die Hai-Bestände vor den Küsten dieser Welt sind einigermaßen bekannt: Wir können anhand solcher Daten abschätzen, wie groß das Risiko ist, an einem bestimmten Badestrand von Haien heimgesucht zu werden. Das Risiko lässt sich also kalkulieren: Man nennt das Risikobewertung oder „risk assessment“.
Genauso lassen sich die Folgen des Pflanzenschutzmittel-Einsatzes für die menschliche Gesundheit abschätzen. Ich weiß aus Tierversuchen, wie giftig ein Stoff ist und welche Symptome er verursachen kann. Ich kenne aus Analysen der Lebensmittelüberwachung, ob und, falls ja, in welcher Menge, die Substanz in unseren Lebensmitteln vorhanden ist. Im Grunde bestätigen die Glyphosat-Funde in Bier und Urin die Thesen vom BfR: Die Substanz ist in so geringen Mengen in unserer Nahrung vorhanden, dass man sicher davon ausgehen kann, dass hier kein Risiko für die menschliche Gesundheit besteht.
Und: Je besser ein Wirkstoff erforscht ist, je mehr Daten und Auswertungen vorliegen, umso besser und genauer wird die Risikobewertung. Deswegen ist sich das BfR im Fall von Glyphosat seiner Sache auch so sicher.
Kommentar verfassen