Derzeit tagt in Cancun (Mexiko) die Weltbiodiversitätskonferenz (CBD COP 13). Bis zum 17. Dezember werden die Vertreter der Mitgliedsstaaten der Konvention über die Biodiversität beraten, wie die Übereinkunft umgesetzt werden soll. Für Deutschland sitzt Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks mit am Verhandlungstisch.

Im Vorfeld der Veranstaltung hatten verschiedene Umweltverbände und Anti-Gentechnik-Aktivisten einen Offenen Brief an Frau Dr. Hendricks geschrieben. Darin heißt es u.a.:

„Während bisher Kulturpflanzen oder Nutztiere im Zentrum der gentechnischen Anwendungen stehen, geht es jetzt darum, natürliche Populationen gentechnisch zu verändern. Freisetzungen gentechnisch veränderter Organismen, die dazu führen, dass sich deren Gene in natürlichen Populationen ausbreiten können, sind nicht zu verantworten. Wenn wir zulassen und gar anstreben, dass gentechnisch veränderte Organismen ihr Erbgut in natürlichen Populationen verbreiten, gleicht dies einem Eingriff in die „Keimbahn“ der biologischen Vielfalt, dessen Auswirkungen alle künftigen Generationen und deren Ökosysteme betreffen.“

Die Organisationen kritisieren die mögliche Anwendung von Organismen die via Gene Drive genetisch verändert worden sind. Eine mögliche Anwendung, die derzeit diskutiert wird, ist die Aussetzung gezielt veränderter Mücken. Diese sollen dazu beitragen, natürliche Vorkommen von Mücken zu einzudämmen, die Krankheiten wie Gelbfieber  und Denguefieber oder den Zika-Virus übertragen.

Das Wirkprinzip ist einfach: Die veränderten Mückenmännchen, die in die Umwelt entlassen werden, vererben genetische Eigenschaften, die ihre Nachkommen im Larvenstadium absterben lassen.

Die Ministerin hat geantwortet und stimmt den NGOs in wesentlichen Punkten zu:

„Ich teile Ihre Bedenken, dass „Gene Drive“ erhebliche Auswirkungen auf Ökosysteme haben kann und dass daher besondere Vorsicht bei der Forschung  und Risikobewertung walten sollte. Eine Freisetzung von Organismen, bei denen „Gene Drive“ verwendet wird, halte ich aus ökologischer Sicht zurzeit für nicht vertretbar.“

Dass der Einsatz von Gene Drive auf Ökosysteme wirkt, ist trivial: Das ist schließlich der Sinn der Sache. Die eigentliche Frage ist doch, ob man mit unerwünschten Folgen rechnen muss. Unerwünschte Folgen hat aber auch der Einsatz anderer Technologien. So hat 2010 ein Forscherteam gezeigt, dass der breite Einsatz des im Bio-Landbau verwendeten Insektizids Bacillus thuringiensis zur Moskito-Bekämpfung zu einer signifikanten Verschlechterung des Bruterfolgs bei Mehlschwalben in der Camarque (Südfrankreich) geführt hat. Dadurch dass das Öko-Insektizid wahllos auch Nicht-Zielorganismen dezimiert, verschlechterte sich die Nahrungsgrundlage der Vögel massiv. Es muss also abgewogen werden, in welchem Maße die Folgen, mit denen ich rechnen muss, im Verhältnis zum erwarteten Nutzen stehen.

Die Verwaltung der Florida Keys hat abgewogen und jetzt einen Versuchseinsatz der gentechnisch veränderten Mücke beschlossen. Zuvor hatte die Bevölkerung in einem Referendum mehrheitlich dem Einsatz der Gentec-Mücken zugestimmt. Die Behörde US Food and Drug Administration (FDA) hatte den geplanten Versuch bereits im Sommer genehmigt. Die FDA sieht keine Risiken, die dem Einsatz entgegenstehen:

„FDA has carefully considered the potential environmental impact of the proposed trial and the no action alternative, as described and evaluated in the EA. The consequences of escape, survival, and establishment of OX513A in the environment have been extensively studied: data and information from those studies indicate that the proposed investigational use of OX513A Ae. aegypti mosquitoes is not expected to cause any significant adverse impacts on the environment or human and non-target animal health beyond those caused by wild-type mosquitoes.“

Die Gelbfiebermücke (Aedes aegypti, auch „Denguemücke“ oder „Ägyptische Tigermücke“), die als Hauptübeträger des Zika-Virus gilt, ist in Florida ein Einwanderer, gehört dort also nicht zu den heimischen Arten. Der Eingriff ins dortige Ökosystem ist also überschaubar. Ein deutlicher Vorteil der Gentec-Mücke im Vergleich zu gesprühten Insektiziden jeder Art ist, dass Nicht-Zielorganismen nicht durch den Einsatz betroffen sind. Ich finde: Auch in Deutschland sollten wir neue Technologien nicht kategorisch ablehnen, sondern uns stets eine Einzelfallprüfung vorbehalten.

 

Bildnachweis: James Gathany, Centers for Disease Control

 

2 Antworten zu „Postfaktischer Adventskalender, Teil 9: Gene Drive”.

  1. Avatar von Wolfgang Nellen
    Wolfgang Nellen

    zu ergänzen wäre: bei den Aedes Populationen in Florida handelt es sich keineswegs um „natürliche Populationen“ sondern um eingeschleppte Neozoen. Sie zu dezimieren würde das Ökosystem seinem natürlichen Zustand näher bringen.

  2. Würde der Befall mit Zika, Dengue, Malaria oder ähnlichen Öko-Vektoren bei uns (und speziell in Berlin) in diesem oder auch kleinerem Maße auftreten, dann wäre sowohl das grüne Begehren als auch die Antwort der Ministerin wohl ganz anders. Schon alleine deshalb weil die vorhergehende Qualifikation der Frau Minister als SPD Schatzmeisterin ihr klarmachen würde , dass dann auch potentielle Beitragszahler unwiederbringlich im ökologischen Sinne wegfallen würden.
    Warum fällt mir hier nur der Begriff Öko- und Wohlstandsrassismus ein.

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