Postfaktischer Adventskalender, Teil 13: Renate Künast

Gestern Morgen schlage ich die Tageszeitung auf und was sehe ich: Renate Künast Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, ergreift Partei gegen Fake-News auf Facebook. Künast – ausgerechnet. „Wehret den Anfängen“, mahnt sie:

„Man muss einerseits im Netz auf der Hut sein. Andererseits müssen wir gegen diese Meinungsmache und gegen diese Verunglimpfungen mit dem Strafrecht vorgehen und den Hetzern zeigen, wo die rote Linie ist.“

Die Grünen-Politikerin gibt sich als Kämpferin für andere:

„Politiker haben auch eine Verantwortung, sich stellvertretend für andere kritisch mit dem, was im Netz geschieht, auseinanderzusetzen. Viele Menschen, die sich engagieren, werden im Internet angepöbelt und runtergemacht. Die können wir nicht allein lassen.“

Soweit steht fest: Anderen Menschen Worte in den Mund legen, die sie nicht gesagt haben, um damit Stimmung im Netz zu machen, geht gar nicht und muss von der Staatsanwaltschaft aufgeklärt werden. Auch sinnfreie Beleidigungen könnte sich der ein oder andere Zeitgenosse einfach sparen. Hier wäre wünschenswert, wenn die Strafverfolgung justiziabler Fälle vereinfacht würde. Hinzu kommt, dass die Facebook-interne Zensur bislang nicht gut funktioniert: Mal dauert die Reaktion zu lange, mal werden Dinge gelöscht, die eigentlich nicht anstößig sind. Solche Probleme sind allerdings m.E. lösbar.

Zurück zu Renate Künast: Wie ist es eigentlich um die eigene Aufrichtigkeit der Politikerin bestellt, um den eigenen Umgang mit der Wahrheit? Künast hat sich bereits mehr als einmal in den Sozialen Netzwerken blamiert. Unvergessen ist ihre Verwechslung von Abraham Lincoln mit George Washington in einem Facebook-Eintrag. Da der Originalpost inzwischen korrigiert ist, hier ein Tweet dazu:

Oder die Verwechslung der Slowakei mit Polen im Tweet nach einer Talk-Show:

Kleine Fehler passieren jedem einmal – geschenkt. Ungemütlich wird’s, wenn man Menschen dabei auf die Füße tritt: Für Ärger und Unmut bei der Polizei sowie für Kritik von allen Seiten sorgte ein unüberlegter Tweet zum Amoklauf eines Flüchtlings in Würzburg:

Seit Anfang des Jahres geht Renate Künast die Beleidigungen im Netz offensiv an. Vom Spiegel lässt sie sich begleiten beim persönlichen Besuch von Facebook-Nutzern, die sie direkt beleidigt haben. Mit diesem Tweet lädt sie ein, ihr Hass-Tool zu benutzen:

Was verbirgt sich hinter diesem Hass-Tool? Naja, eine Facebook-Seite mit Anleitung für Hass-Kommentare, es beginnt so:

„Hallo,
Sie wollen mir einen Hass-Kommentar schicken? Sich mal so richtig auskotzen? Vielleicht weil ich in einer Talkshow nicht das erzählt habe, was Sie hören wollten? Oder weil Ihnen meine Politik nicht passt? Oder weil Sie meine Frisur nicht mögen?
Sie wissen aber noch nicht genau, was Sie schreiben sollen? Oder Sie haben eine ausgeprägte Rechtschreibschwäche? Dann gebe ich Ihnen hier ein paar Hinweise, die Ihnen das Schreiben und mir das Lesen erleichtern:“

Es folgen ein paar Beispiele für Formulierungen:

„Hauen Sie einen raus. Seien Sie kreativ. Hier ein paar Dinge, die fast noch niemand geschrieben hat:
– „Pfui!!!!“, „Unerträglich!!!!!“, „Peinlich!!!!!!“, „Sie sollten sich schämen!!!!!!!“
– „Wenn ich die schon sehe!“
– „Früher habe ich mal die Grünen gewählt, spätestens jetzt sind sie unwählbar!“
– „Es wird bald Prozesse für Politiker (sic!) wie dich geben!“
– „Noch schlimmer als die Roth!“
– „Nie wieder Grün!““

Dem Spiegel gegenüber hat Renate Künast dazu erklärt, dass sie auf diese Weise mit „Poesie und Ironie“ auf die Pöbeleien reagieren wolle:

„Eins hat es aber auf jeden Fall gebracht. Dieses schöne Gefühl, dass man auf eine witzige Art sagt: Ihr kriegt uns nicht!“

Ach so, das soll witzig sein? Könnte es sein, dass es Menschen gibt, die sich dadurch erst recht provoziert fühlen?

Unvergessen sind zudem diverse fachliche Patzer, die Renate Künast in ihrer Zeit als Landwirtschaftsministerin unterlaufen sind. Auch heute noch spricht sie zwar voller Überzeugung, aber mit wenig Sachkenntnis zum Beispiel zum Thema Glyphosat.

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Quelle: topagrar 11/2001, Seite 12

 

Den Wissenschaftsjournalisten Kai Kupferschmidt, der ihr zum Thema Glyphosat widersprach, kanzelt sie als inkompetent ab:

Wenn Gesprächspartner auf Twitter zu lästig werden, blockiert Frau Künast diese kurzerhand. So kann man auch unangenehmen Diskussionen aus dem Weg gehen.

Was Künast in Sachen Glyphosat total zu verdrängen scheint: Als sie das Bundesinstitut für Risikobewertung gegründet hat, haben dieselben Personen wie heute an der Risikobewertung von Glyphosat gearbeitet – z.B. für die WHO – und sie sind – damals wie heute – zu denselben Ergebnissen gekommen.

Renate Künast ist die einzige deutsche Politikerin, die das in Den Haag ausgetragene Monsanto-Tribunal unterstützt hat – ein Fake-Tribunal. Sie trat offiziell als Botschafterin auf und war in Den Haag auch auf dem Podium zugegen:

Auf ihrer Facebook-Seite schreibt Künast:

„Am Wochenende findet das so genannte Monsanto-Tribunal, eine zivilgesellschaftliche Gerichtssimulation in Den Haag statt.
Monsanto zerstört mit seiner Agro-Landwirtschaft, Monokulturen und Gen-Technik die Menschenleben und den Planeten.“

Ist das schon Geschäftsschädigung oder läuft das noch unter Meinungsfreiheit? Wenn es um Freihandelsabkommen wie TTIP oder Ceta geht, positioniert sich Künast vehement gegen Paralleljustiz, aber gegen Monsanto ist das in Ordnung? Im Februar 2015 etwa sprach Renate Künast zum Thema Ceta im Bundestag:

„Deshalb sage ich es noch einmal: Die regulatorische Kooperation in Verbindung und Verschränkung mit einer Schiedsgerichtsbarkeit, einer Art Paralleljustiz, ist das Problem. Wir und die EU müssen uns fragen, welches Zeichen wir setzen wollen. Wir sagen immer, dass wir mit anderen Rechtsstaatsdialoge führen und wissen, was ein Rechtsstaat ist.“

In einem anderen Post warb Künast sogar dafür, für die Veranstaltung zu spenden.

Schließlich erklärt Renate Künast, wohlgemerkt Vorsitzende des Rechtsauschusses des Deutschen Bundestags, in der tagesschau die Motivation der Veranstalter: Es gäbe schon seit einiger Zeit eine internationale Bewegung, die sagt:

„Es kann nicht sein, dass Ihr Chemikalien auf dieser Welt verbreitet, aber nicht für die Gesundheits- und anderen Folgeschäden haftet. Das wird man weiter einklagen. Ob das nun „Monsanto“ oder „Baysanto“ oder „Bayer“ heißt, ist egal.“

Chemikalien, die von Unternehmen in Umlauf gebracht werden, unterliegen behördlichen Zulassungsverfahren. Dem Anwender unterliegt indes die Verantwortung, die Substanzen auch dem Anwendungszweck entsprechend richtig einzusetzen. Oder wird jetzt VW auch dafür haftbar gemacht, dass durch die im Wolfsburger Werk produzierten Fahrzeuge Menschen – z.B.bei Unfällen – zu Schaden kommen? Was war noch einmal mit dem Rechtsstaat?

 

Mein Fazit: Frau Künast tut recht daran, die Facebook-Attacken gegen sie strafrechtlich verfolgen zu lassen. Aber einer Sache sollte sie sich bewusst sein: Renate Künast ist keine Jeanne d’Arc der Netz-Demokratie. Im Gegenteil: Jemand, der selbst so unachtsam mit der Wahrheit umgeht und der Andersdenkende blockiert, um der Diskussion aus dem Weg zu gehen, ist Teil des Problems, nicht Teil der Lösung.

 

Bildnachweis: Waldeckische Landeszeitung, 12.12.16

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