„Wir diffamieren niemanden“

Die sozialen Netzwerke kochen vor Aufregung: Hunderte von Kommentaren finden sich auf den Facebook-Seiten von Ministerin Dr. Barbara Hendricks und ihrem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) jeweils unter den Einträgen, wo die sogenannten neuen Bauernregeln präsentiert werden.

Die Landwirte fühlen sich durch die gereimten Sprüche verunglimpft und lächerlich gemacht. Das BMUB kann die Aufregung über ihre 1,6 Millionen Euro teure Kampagne gar nicht verstehen und antwortet auf Facebook:

„Liebe Facebook-User, wir freuen uns über die Diskussion und die vielen sachlichen, teils auch kritischen Beiträge zu diesem Thema. Es ist schade, dass es auch unsachliche Äußerungen gibt. Für Bundesumweltministerin Barbara Hendricks ist es ein wichtiges Anliegen: Wir diffamieren niemanden, wir greifen niemanden persönlich an, wir verunglimpfen keinen Berufsstand. Aber wir thematisieren Fehlentwicklungen in Teilen der Landwirtschaft, die niemand ernsthaft bestreiten kann. Lassen Sie uns darüber debattieren, wie wir das ändern können – weil wir eine Landwirtschaft mit Zukunft wollen, in der es der Umwelt, aber auch den Bauern besser geht. Viele Grüße, Team Barbara Hendricks“

Wie kann das sein? Woher kommt diese unterschiedliche Wahrnehmung? Schauen wir uns die Bauernregeln mal an: Ich habe die Sprüche hier aufgelistet, allerdings nicht in der vom Ministerium vorgegebenen Reihenfolge, sondern nach Themengruppen sortiert:

Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein.

Gibt’s nur Mais auf weiter Flur, fehlt vom Hamster jede Spur.
Ohne Blumen auf der Wiese geht’s der Biene richtig miese.
Gibt’s nur eine Pflanzenart, wird’s fürs Rebhuhn richtig hart.

Zu viel Dünger auf dem Feld geht erst ins Wasser dann ins Geld.
Zu viel Dünger, das ist Fakt, ist fürs Grundwasser beknackt.
Steh‘n im Stall zu viele Kühe, macht die Gülle mächtig mühe.
Strotzt der Boden vor Nitraten, kann das Wasser arg missraten.

Bleibt Ackergift den Feldern fern, sieht der Artenschutz das gern.
Haut Ackergift die Pflanzen um, bleiben auch die Vögel stumm.

Wenn alles bleibt, so wie es ist, kräht bald kein Hahn mehr auf dem Mist.

Inhaltlich möchte ich darauf an dieser Stelle nicht eingehen, obwohl es dazu eine Menge zu sagen gäbe. Betrachten wir mal nur die Struktur: Alle Sätze beschreiben eine Wenn-Dann-Beziehung. Also: Wenn Zustand A vorliegt, dann auch Zustand B. Im Grunde wird hier in den Sätzen erst einmal keinem Landwirt eine bestimmte Handlung zugeschrieben.

Kein Grund zum Ärger also? Wir machen da mal ein Experiment: Dr. Barbara Hendricks hat Geschichte und Sozialwissenschaften studiert. Der Titel ihrer Doktorarbeit lautet „Die Margarineindustrie am unteren Niederrhein im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert“. Ich mache mir jetzt einen Spaß und dichte eine Wenn-Dann-Beziehung:

Zuviel Gedanken um Margarine, dann gerät man auf die falsche Schiene.

Damit will ich natürlich nur auf unbestreitbare Fehlentwicklungen aufmerksam machen und meine niemanden persönlich. Es liegt mir völlig fern, mich über jemanden lustig zu machen. Oder der hier:

Hat der NABU das BMUB gekapert, es an Objektivität dort hapert.

Wie gesagt: Ich diffamiere niemanden, greife niemanden persönlich an und verunglimpfe keine Behörde. Aber ich thematisiere Fehlentwicklungen in Teilen der Bundesregierung, die niemand ernsthaft bestreiten kann. – Und da soll sich jetzt niemand drüber aufregen?

Richtig Brisanz bekommt die Angelegenheit zudem erst durch die einführenden Worte zur Kampagne. Das BMUB schreibt auf Facebook:

„Wenn wir die Vielfalt unserer Natur auch für kommende Generationen erhalten wollen, müssen wir unsere Landwirtschaft naturverträglicher gestalten!

Mit der Kampagne „Gut zur Umwelt. Gesund für alle.“ setzen wir uns für eine nachhaltigere Landwirtschaft ein. Damit die Landwirtschaft eine Zukunft hat, brauchen wir mehr als neue Bauernregeln – wir brauchen eine #Agrarwende!“

Das ist doch eine Kampfansage, die man in dieser Form nur von Bündnis 90/Die Grünen oder den NGOs kennt. Und für mich stellt sich die Frage, ob die hier umrissene Agrarwende mit all ihren Konsequenzen von der Mehrheit der Bevölkerung wirklich mitgetragen werden würde. Spätestens an dieser Stelle muss einem das Lachen vergehen.

 

Bildnachweis: Bundesregierung/Sandra Steins 

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10 Kommentare zu „„Wir diffamieren niemanden““

  1. Mir zeigt das ganze, auf welcher Fachkompetenzebene das BMUB arbeitet. Da sollte einem angst und bange werden.
    Ideologie statt Fachwissen. Auswirkungen von Entscheidungen? Scheint nicht zu Interessieren.
    Eine derart motivierte Agrarwende wird genauso gegen die Wand fahren wie die Energiewende.
    Welche Folgen Ideologie in der Landwirtschaftspolitik gehabt hat kann man sehr gut in den Geschichtsbüchern nachlesen.

  2. Wie kann es sein ?
    Lasst uns zu einer sachlichen Politik zurückkehren auf Augenhöhe- letztendlich muss Sie zurücktreten denn Sie hat Ihre Glaubwürdigkeit verloren !

  3. Unsere Landwirte haben in den Letzten Jahrzehnten nur das gemacht was Ihnen Politik, Verbraucher und der Markt diktiert haben. Für die Meisten hieß das wachse oder weiche! Und wenn ich heute im Supermarkt vor dem SB Fleischregal stehe und das Verhältnis von Bio zu Konventionell sehe (nicht nur bei Fleisch) dann bin ich der festen Überzeugung das der Markt für Bioprodukte zumindest in unserer Region noch nicht groß genug ist um alle Betriebe zu animieren, auf eigenes Risiko, auf Bio umzustellen. Schließlich ist eine Umstellung auf Bio ein finanziell riskantes Unterfangen welches die Existenz des Betriebes stark gefährdet. Das währe ein Punkt an dem die Politik ansetzen müsse wenn sie mehr Bio möchte. Stattdessen werden Betrieben die schon Biologisch arbeiten noch zusätzlich Steine in den Weg gelegt. Wie zum Beispiel die Aufstallungspflicht für Geflügel die zur Zeit gilt. Nach einer gewissen Zeit verlieren die Erzeugnisse Ihren Biostatus. Das ist nicht in Ordnung denn es wurde den betroffenen Betrieben schließlich auferlegt. Es ist allgemein keine gute Zeit Landwirt in Deutschland zu sein! Das macht diese Kampange nicht besser und das ist gewiss nicht der richtige Weg. Wenn man die Landwirte zu anderer Arbeitsweise zwingt und nicht dafür sorgt das Sie auch Wettbewerbsfähig bleiben fördert man nur den weiteren Untergang der deutschen Landwirtschaft.

    1. Wer beim Bio-Betrug mitmacht, ist Teil des Problems.

      Damit wird der Landwirt eben zum Profiteur der Lügengebilde, die der vermeintlich nötigen „Agrarwende“ zu Grunde liegen. Es kann nicht der Weg sein, den Ideologen zu Kreuze zu kriechen!

      Entweder ein Betrieb funktioniert, oder er funktioniert nicht. Dann soll der landwirtschaftliche Unternehmer Platz für einen Betrieb machen, der es funktioniert.

  4. Gut dass es endlich ausgesprochen wird. Und das obendrein von der Politik. Wir müssen endlich weg von der Agrarindustrie, zurück zur Landwirtschaft. Konsumverhalten ändern.Gift raus, aus der Landschaft und somit aus dem Essen und Natur rein. Und vor allem die Betonhirne der Agrarindustriellen (früher Bauern) von den Dogmen und Profitargumenten befreien. Denn die Bauernregeln sagen nichts, als die Wahrheit. Landwirtschaft vergiftet, zerhäckselt, flussbegradigt, flurbereinigt, rodet Hecken, vernichtet die Artenvielfalt. Keine Blumenwiesen mehr, nur noch „Grünland“ mit zwei Sorten Eiweißgras. Keine Natur mehr, nur noch Agrarproduktionsflächen. Grüne Industriegebiete. Kein Wegrain mehr für s Rebhuhn. Keine Moore mehr. Keine Wiesenbäche mehr. Alles in unterirdische Betonrohre gezwängt. Die Agrarindustrie macht unsere Natur zu ihrem Betrieb und zerstört was uns gehört. Das kann niemand abstreiten. Jede neue Mode wurde mitgemacht. Kein einziger hat je nach der Natur gefragt. Und wenn man den Versuch unternimmt einem dieser Industrieunternehmer (früher Bauern) das klarzumachen erntet man einen Sturm vom fachchinesischer Entrüstung. Mit immer dem gleichen Tenor. GELD! Wir müssen. Wir brauchen. Wir verlangen. Ja wenn´s aber nicht mehr geht? Dann müssen eben einige schließen. Oder umdenken. Das müssen andere Unternehmer auch. Was soll daran so schlimm sein? Aber die Agrarindustriellen( früher Bauern) tun immer so, als ob mit ihnen die ganze Welt unterginge. Dem ist nicht so. Eher schon – wegen – ihnen.

  5. Soweit ich mich erinnere, gilt die Frage „Darf ich Sie Arschl*** nennen?“ juristisch als Beleidigung, obwohl der Befragte ja im Wortlaut nicht als Arschl** tituliert wurde.
    Vielleicht sollte man trotzdem (oder genau deswegen!) eine Kampagne „Frau Hendricks, darf ich Sie *** nennen?“ starten?!

  6. Nach diesen „Bauernregeln“ist es ganz klar und unwiderruflich das dies Frau zurücktreten muss! Nicht mehr akzeptabel! ….. man könnte diese Regeln liebevoll weiterführen mit: Wenn Dummheit eine Krankheit währ, dann wär das Amt für Umwelt leer . von solchen Politiker sollte sich unser Land mit Leichtigkeit trennen

  7. Nie hätte eine Politikerin / ein Politiker es gewagt eine Größe Gruppe von Wählern so zu Beleidigen und zu erniedrigen! Wären Rentner , Industriearbeiter oder dergleichen so behandelt worden, wären schon Politikerköpfe gerollt! Nur die kleine Gruppe der Bauern muss sich alles gefallen lassen. Warum und wie lange noch? Macht Rot/Grün nieder !!!

  8. Ich habe lange darüber nachgedacht und mich zu Beginn auch sehr über diese Kampagne verärgert. Nachdem ich nun ein paar Tage darüber nachgedacht habe, auch über mögliche Reaktionen, stelle ich fest, dass eine Antwort Perlen vor die Säue wären, um beim Thema zu bleiben.
    Sicher gab und gibt es Landwirte die nicht zum Vorbild dienen und die nicht so arbeiten wie man es sich als redlicher Landwirt wünscht. Es ist eben Teil des menschlichen Daseins, dass es auch geistig-moralische Tiefflieger gibt. Man sollte aber den Blick nicht davor verschließen, dass wir in Deutschland die wohl beste Landwirtschaft der Welt haben, hocheffizient, resoucenschonend und stetig besser werdend.
    Mit der Kampagne, dem provoziertem Skandal und der Uneinsichtigkeit kann ich letztlich nur feststellen, das sich das BMUB auf die gleiche Stufe begeben hat wie Demonstranten und gewisse Politiker die immer wieder „Lügenpresse“ skandieren.
    Auch bei dieser Berufsgruppe kann man mit Sicherheit schwarze Schafe finden, wie in jeder Anderen auch. Man stelle sich vor ein Minister würden eine Kampagne mit einem Plakat machen mit den Worten „Wenn die Presse etwas schreibt, die Wahrheit auf der Strecke bleibt!“
    Wer würde glauben, das dieses Plakat auf einen kritischen Umgang mit Fehlinformationen und dem aufmerksameren Lesen der Tageszeitung dienen soll?

  9. Pingback: “Wir müssen reden” – schillipaeppa.net

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