Als Generationswechsel feiert die Partei Bündnis 90/Die Grünen ihren neuen Vorstand mit der Realo-Doppelspitze Annalena Baerbock und Robert Habeck. Gerade Habeck, derzeit Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein, fungiert nach den gescheiterten Jamaika-Sondierungen als frisches Gesicht der Ökopartei. Gesucht wird ein Neuanfang, ein Aufbruch – dafür steht der promovierte Philosoph und Schriftsteller.
Habecks Bewerbungsschreiben für den Parteivorsitz transportiert gleichermaßen Aufbruchstimmung wie Rückbesinnung auf alte Werte aus den Gründungsjahren der Grünen:
„Was also ist die Rolle der Grünen in den nächsten Jahren?
Wir sollten in die politische Lücke vorstoßen, diesem Land, diesem Europa wieder eine Idee für eine fortschrittliche, gemeinwohlorientierte, liberale Gesellschaft zu geben. Wenn es die CDU nicht mehr kann und die SPD nicht will: Wir können und wir wollen. Das heißt grüne Eigenständigkeit. Nicht im Gestus der Unterwerfung koalitionsgeschmeidig zu sein, sondern mit der Vermessenheit, ja der Unverfrorenheit des Gründungsgeistes dieser Partei die anderen herauszufordern.“
Wie diese Quadratur des Kreises – unbequem sein und dabei konstruktiv – konkret aussehen soll, wird die Zukunft zeigen müssen. In Schleswig-Holstein haben Bauern und Minister im Laufe der Jahre einen gangbaren Weg der Zusammenarbeit gefunden. Auf Bundesebene agierten die Grünen in Fragen der Landwirtschaft bislang eher destruktiv: Kampfbegriffe wie „Massentierhaltung“, „Agrarindustrie“, „Insektensterben“ und „Hormongifte“ werden bemüht. Unzählige Social-Media-Kampagnen schüren Ängste und säen gezielt Misstrauen gegen Regierungseinrichtungen.
Wie verträgt sich eine solche Kommunikationsstrategie mit dem essayistischen Politikstil des neues Mannes an der Spitze?
Ein die öffentliche Debatte um die Landwirtschaft derzeit dominierendes Thema ist der Einsatz des Pflanzenschutzmittels Glyphosat. Hierzu wurde Robert Habeck in dieser Woche beim VR-Landwirtschaftstag in Neumünster befragt. Mit ihm am Podium waren Werner Schwarz, Präsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein, und Moderator Dietrich Holler von der Agentur vox viridis:
Habeck gesteht zu, dass die Debatte um den Wirkstoff emotionalisiert wurde und NGOs und Grüne auch ihren Teil dazu beigetragen haben. Dies sei überhaupt erst möglich, weil die Menschen nicht wissen, wie moderne Landwirtschaft funktioniert. Es gäbe einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Artenrückgang und Pestizideinsatz, aber man hätte für diesen Zusammenhang auch ein anderes Wort nehmen können, durch die „Krebsstudie“ – gemeint ist wahrscheinlich die Einordnung der IARC – sei es letztlich „Glyphosat“ geworden. Politisch sei die Debatte eine Sackgasse:
„Rein politisch gesprochen muss man sich eben auch überlegen, welche Schlacht man verlieren will. Ich würde mal sagen: Diese Schlacht ist verloren. Es ist hoffnungslos, zu glauben, dass man mit einer Position „Ach, so ein Bisschen mehr Glyphosat hat noch keinem geschadet“ irgendwie ’ne Mehrheit gewinnt. Also, deswegen sagte ich „Sackgasse“, es ist hoffnungslos, das hat Herr Schmidt ja erlebt, also Landwirtschaftsminister Schmidt – wahrscheinlich ehemaliger Landwirtschaftsminister Schmidt – er hat gemeint, er meinte wahrscheinlich, er ist Teil der Lösung, oder so – vergiss es! Die Messe ist gesungen und es geht nur noch darum, wer als letzter merkt, dass die Messe gesungen ist.“
Nanu, wo ist hier das Bemühen um eine sachgerechte Lösung geblieben? Werner Schwarz hatte zuvor erläutert, Ackerbau funktioniere auch ohne Glyphosat, aber eben pfluglose Bodenbearbeitung nicht. Diese habe Vorteile für den Erosions- und Klimaschutz. Das scheint Minister Habeck nicht zu berühren: Machtpolitisch ist das Thema entschieden, Haken dran. Wie kann man da noch ruhig schlafen, Herr Habeck? Welch‘ hässliche machtpolitische Fratze kommt hier zum Vorschein?
Und das Allerärgerlichste an dieser Haltung ist: Selbst wenn nur noch die Frage ist, wann ein Glyphosat-Verbot kommt und nicht, ob, was wäre damit für den Artenschutz erreicht? Nichts! Deswegen würde nicht eine Wildpflanze mehr auf dem Acker stehen bleiben, sie würde dann untergepflügt oder mit giftigeren Mitteln totgespritzt werden.
Ein Eindruck drängt sich auf: Selbst wenn in der Habeckschen Rhetorik derzeit Ausgleich und Optimismus dominieren, an der Realität gemessen zerplatzt diese Illusion wie eine Seifenblase.
Leider immer wieder die gleich dämliche Argumentation der Bauern. Wenn ihr uns Glyphosat wegnehmt, dann pflügen wir wieder und das ist noch viel schlimmer. Ihr habt also die Wahl zwischen Pest und Cholera, also wählt gefälligst Cholera. Wie kann man nur so dumm Argumentieren mit dem Ergebniss, egal wie, Landwirtschaft ist immer Scheisse. Wenn Schwarz nichts besseres einfällt muss er es lassen, denn so hat doch ein Habek leichtes Spiel. Dabei gibt es zum Thema Glyphosat doch nur zwei Möglichkeiten. Entweder alle Vorwürfe gegen Glyphosat sind zutreffend, dann muss es verboten werden. Oder sie sind nicht zutreffend, dann kann es auch weiterhin entsprechend eingesetzt werden. Bislang wurden die Vorwürfe gegen Glyphosat nicht schlüssig und wissenschaftlich nachgewiesen, deshalb wird es auch weiterhin eingesetzt!
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