Die Manipulation einer Konsultation der EU-Kommission durch die Grünen im Europäischen Parlament zieht weitere Kreise. Nachdem bereits am Wochenende der EVP-Abgeordnete Thomas Berger in der „Welt am Sonntag“ kritisierte, dass die Spam-Aktion mit Steuergeldern finanziert worden sei, äußert sich nun Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner zu den Vorgängen.

Frage: Die Fraktion der Grünen im Europaparlament hat versucht, über ein Webtool eine öffentliche Konsultation der EU-Kommission zum Thema „Gentechnik“ zu manipulieren. Jetzt stellte sich heraus, dass die Aktion mit Fraktionsmitteln, also mit Steuergeldern, finanziert wurde. Wie bewerten Sie diese Vorgänge?

Antwort: Es ist schon äußerst irritierend, dass gewählte Abgeordnete sich das Geschäftsmodell von NGOs zu eigen machen, um damit Gesetzgebungsprozesse zu sabotieren – und das auch noch mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Man stelle sich vor, es würden alle Fraktionen so vorgehen, wenn sie Gesetzesvorlagen inhaltlich nicht teilen. Wer so handelt, schadet dem demokratischem Miteinander und auch insgesamt dem Ansehen der EU.

Frage: Eine Sprecherin der Grünen/EFA-Fraktion gab gegenüber der „Welt“ Auskunft, dass es grundsätzlich möglich sei, „dass wir das Tool in der einen oder anderen Form noch einmal einsetzen“. Ist so ein Vorgehen aus Ihrer Sicht legitim?

Antwort: Ob es legitim ist, müssen die Juristen des Europaparlaments beurteilen. Für mich ist das letztlich aber gar nicht der entscheidende Punkt. Denn ob legitim oder nicht – solche organisierten Kampagnen von Fraktionen sind schlicht unanständig und gehören sich nicht. Unter Demokraten sollten wir hart in der Sache ringen und streiten, das gehört dazu. Was sicherlich nicht dazugehört, ist, ein Konsultationsverfahren bewusst für die eigene Agenda zu instrumentalisieren und dafür auch noch Steuergeld einzusetzen. Da bin ich bei den Kolleginnen und Kollegen der EVP-Fraktion: Das zersetzt die europäische Gesetzgebung.

Frage: Ist Ihnen bekannt, wie die EU-Kommission mit den Tausenden gleichlautenden Eingaben umgehen wird? Und: Ist Ihnen bekannt, ob die Aktion Konsequenzen für die Grünen/EFA-Fraktion haben wird?

Antwort: Die EU-Kommission wird die ganzen Eingaben sichten müssen, wobei ja klar ist, dass tausende Antworten auf die Kampagne der Grünen zurückgehen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort hätten sicher auch wichtigere Aufgaben zu erledigen. In vielerlei Hinsicht ist das ein ungeheuerlicher Vorgang. Diese Bewertung ist für mich unabhängig davon, ob es ein rechtliches Nachspiel geben wird. Das müssen Juristen prüfen.

Frage: Sie sprechen sich für die Nutzung von Genome Editing in der Landwirtschaft sowie für eine Anpassung des EU-Rechtsrahmens aus (z.B. im „Tagesspiegel“). Warum ist das aus Ihrer Sicht so wichtig?

Antwort: Ich begrüße es ausdrücklich, dass die EU jetzt die Modernisierung des europäischen Rechtsrahmens für neue molekularbiologische Techniken angestoßen hat – das war überfällig. Denn auf europäischer Ebene müssen wir gemeinsam Regelungen schaffen, die mit wissenschaftlichen Erkenntnissen Schritt halten und eine differenzierte Risikobewertung ermöglichen. In diesem Sinne hatte ich mich immer für eine angemessene, am Vorsorgeprinzip orientierte Nutzung dieser Techniken in Europa ausgesprochen. Denn die Entwicklung der Genschere CRISPR/Cas und anderer Innovationen in diesem Bereich sind fundamental auch für die Landwirtschaft. Angesichts des Klimawandels, von Dürren, Wassermangel und neuen Schädlingen ist für mich klar: Wir müssen die Chancen dieser Techniken verantwortungsvoll nutzen, um den Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln zu reduzieren, die Landwirtschaft in Europa und weltweit nachhaltiger zu gestalten sowie gleichzeitig auch in Zukunft genügend Lebensmittel für die Menschen zu produzieren.

Frage: Der EU-Abgeordnete Martin Häusling hat die Spam-Aktion unterstützt. Häusling wurde von den Grünen in die Arbeitsgruppe entsandt, die zum Thema „Landwirtschaft“ Eckpunkte des Koalitionsvertrages aushandeln soll. Was glauben Sie: Werden die Vorgänge auf EU-Ebene die Ampel-Koalitionsverhandlungen belasten?

Antwort: Entscheidend ist doch, welche Antwort eine selbsternannte ‚Modernisierungskoalition‘ genau auf eine solche Grundsatzfrage gibt. Denn unterschiedlicher als zu CRISPR/Cas könnten die Positionen von Grünen und der FDP doch gar nicht sein. Statt destruktive Kampagnen in Brüssel zu fahren, muss in den Koalitionsverhandlungen jetzt Farbe bekannt werden. Denn klar ist doch: Wenn wir immer mehr Erwartungen in Sachen Klima- und Umweltschutz an die Landwirte adressieren, können wir ihnen die Instrumente zur Erreichung dieser Ziele nicht einfach aus ideologischen Gründen aus der Hand schlagen. Dazu gehört auch die Genschere.

Bildnachweis: BMEL/Felix Zahn/photothek.net

2 Antworten zu „„Ein ungeheuerlicher Vorgang“”.

  1. Hi Susanne,
    ich habe heute erst Deinen blog gefunden (nach dem Artikel bei GLP) + gleich abonniert. Dies ist der erste Beitrag, den ich lese … und schon weiß ich, dass dies eine goldrichtige Entscheidung war, ich hätte das sonst möglicherweise gar nicht oder nur in verzerrter Form erfahren. Danke. Keep up the good work! jens

  2. Das Skandalöse daran ist, dass diese Methoden, wie virtuelle Mehrheiten simuliert werden, auch von Verschwörungstheoretikern, Querdenkern, Rechtsradikalen sowie Reichsbürgern angewendet werden. Es werden aber nur diese Gruppen dafür an den Pranger gestellt. Wenn es aus grün-linker Ecke kommt, dann wird darüber hinweg gesehen. Hier ist eine schöne Übersicht, wie Verschwörungstheoretiker die Bundestagswahl 2021 beeinflussen wollten. Viele Methoden kommen einem bekannt vor, weil es auch von den Grünen im Europaparlament und von NGOs immer wieder angewendet wird: https://cemas.io/publikationen/die-bundestagswahl-2021-welche-rolle-verschwoerungsideologien-in-der-demokratie-spielen/

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