Am Montag Abend sendete der WDR die Dokumentation „Gift im Acker. Glyphosat, die unterschätzte Gefahr?“ Dieser Film reiht sich ein in eine Serie von Filmen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die die Debatte um Glyphosat ganz im Sinne von Big Green (Bündnis 90/Die Grünen, Greenpeace, BUND, Umweltinstitut München e.V. etc.) ausleuchten. Ich habe mal auf die Schnelle ein paar Informationen und Anregungen zusammen getragen:

Gleich zu Anfang ein paar Formfehler: Eingangs übersetzen die Filmemacher im gesprochenen Kommentar „BfR“ mit „Bundesanstalt für Risikoforschung“, die Bundesbehörde heißt aber „Bundesinstitut für Risikobewertung“. Es wird behauptet, dass das BfR bereits im Jahr 2000 eine Risikobewertung für Glyphosat vorgenommen habe. Das kann aber nicht sein, weil das BfR erst am 01.11.2002 gegründet wurde.

Die Darstellung der Arbeit von Prof. Dr. Günter Neumann von der Universität Hohenheim schafft den Eindruck, dass der Wissenschaftler ein erklärter Glyphosat-Gegner sei. Das ist aber nicht der Fall, er plädiert lediglich für begrenzten Einsatz des Wirkstoffs. In der Oktoberausgabe der Agrar-Fachzeitschrift dlz ist ein Interview mit Prof. Neumann abgedruckt. Ein Auszug ist online abrufbar. Dort wird gefragt:

„Sind aus Ihrer Sicht weitere Einschränkungen für den Wirkstoff nötig?“

und Prof. Neumann antwortet:

„Nein, weitere Einschränkungen für Glyphosat im Ackerbau über die jetzt schon bestehenden Regeln hinaus würde ich sogar eher als problematisch erachten. Damit wird zunehmend die Flexibilität eingeschränkt, um gezielt auf Problemsituationen bei der Unkrautbekämpfung reagieren zu können.“

Eine solche Aussage in dem Film und der Gesamteindruck für den Zuschauer wäre ein völlig anderer gewesen, oder?

Die Probleme, die Bauer Pedersen bei seinen Schweinen auf Glyphosat zurückführt, können Dutzende anderer Gründe haben: Schimmelpilzgifte im Futter, Genetik, mangelnde Hygiene. Beim Anblick von Tierkadavern in dem Kühlschrank, wo offensichtlich auch die Medikamente gelagert werden, würde jedem Amtsveterinär der Atem stocken. Mein Mann und ich halten Mastputen und wir dürfen die Impfstoffe für die Tiere noch nicht einmal neben unseren Lebensmitteln lagern, sondern haben einen extra Kühlschrank angeschafft, wo die Impfstoffe aufbewahrt werden und sonst gar nichts.

Warum wurde zur Absicherung von Pedersens Thesen nicht ein Tierarzt oder ein anderer Sauenhalter gefragt? Häufig sehe ich in den TV-Dokuformaten die Vorgehensweise, Bildmaterial einem Experten zu zeigen, der dann vor laufender Kamera Stellung bezieht. Ein Tierarzt hätte den Mann mit seiner Hypothese in drei Sätzen zerlegt. Warum wurde hier nicht eine solche Vorgehensweise praktiziert? Faktisch wird in der Sauenhaltung nicht diskutiert, ob Missbildungen auf Glyphosat zurückzuführen sind. Das ist ein Privatthema von Herrn Pedersen und Prof. Dr. Monika Krüger. Weder in der Wissenschaft noch bei den Praktikern wird diese Hypothese überhaupt in Betracht gezogen. Gleiches gilt für die Fruchtbarkeitsprobleme bei Milchvieh. Aber so haben die Protagonisten der Dokumentation quasi ein Alleinstellungsmerkmal, das den regelmäßigen Besuch von Filmteams garantiert.

Der US-amerikanische Biologe Kevin Folta hat Prof. Krügers Untersuchung zu Pedersens Schweinen in seinem Blog folgendermaßen bewertet:

„This is likely one of the worst papers ever to be published.“

Andreas Rummel zitiert Prof. Krüger in einem Beitrag für das Format FAKT:

„In allen untersuchten Organen jeden Tieres haben wir Glyphosat nachgewiesen. Und wir haben in diesen Organen sowie in der Muskulatur und in den Darmwänden dieser Tiere keine signifikanten Unterschiede zwischen den Konzentrationen gefunden. Das heißt also, dass die Tiere über die Plazenta der Muttertiere mit dem Glyphosat in Kontakt gekommen sind.“

Doch was ist das für ein Argument? Zu sagen, „in den Kadavern wurde Glyphosat nachgewiesen, also ist Glyphosat verantwortlich für die Missbildungen“, kommt der Schlussfolgerung gleich „in diesem Tumor ist Wasser nachgewiesen worden, also hat das Wasser den Tumor verursacht“.

Auch Prof. Krügers These, dass Darmbakterien unter Glyphosat leiden, konnte bislang nicht bestätigt werden. So schreibt das BfR in einer Stellungnahme:

„Dem BfR liegen keine Studien vor, die einen adversen Einfluss von Glyphosat auf Bakteriendes Magen-Darm-Traktes belegen. In Langzeitstudien an Nagern, an Hunden oder aber auch in Fütterungsstudien an Kühen oder Ziegen hätten sich nach Kenntnis des BfR Krankheitssymptome wie Gewichtsverlust, Durchfall oder Erbrechen manifestiert. Das war nicht aber der Fall.“

Auch der Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland (vbio) sah sich genötigt, eine Stellungnahme zu veröffentlichen, und kritisiert darin v.a. die Vorgehensweise von Prof. Krüger, mit einer These an die Öffentlichkeit zu gehen, bevor die zugrunde liegende wissenschaftliche Veröffentlichung überhaupt erschienen ist. Eine wissenschaftliche Diskussion basiert schließlich nicht auf Pressemitteilungen. Wissenschaftler äußern sich erst zur Arbeit eines Kollegen, wenn sie die entsprechende Veröffentlichung gesichtet haben. Die Vorgehensweise hat Kalkül: Die Headlines sind um die Welt, bevor das Dementi aus der Fachwelt kommt. Prof. Gilles-Eric Séralini geht übrigens genauso vor. Beide verbindet zudem, dass sie Ihre „Erkenntnisse“ mit einem Geschäftsmodell verquicken. Prof Krüger liefert das Testimonial für Effektive Mikroorganismen, die die vermeintlich gepeinigte Darmflora von Kühen wieder aufbauen sollen, und Prof. Séralini wirbt für Entgiftungsprodukte von Sevene Pharma.

Die IARC hat die im Film dargestellte Langzeit-Rattenstudie von Séralini genauso abgelehnt wie das BfR. So schreibt die IARC in ihrer ausführlichen Begründung der Glyphosat-Bewertung:

„The Working Group concluded that this study conducted on a glyphosate-based formulation was inadequate for evaluation because the number of animals per group was small, the histopathological description of tumours was poor, and incidences of tumours for individual animals were not provided.“

Das sind im Prinzip dieselben Punkte, die Dr. Solecki im Film anführt, das heißt: BfR und IARC sind in Sachen Séralini derselben Meinung. Ob die Autoren der Dokumentation das nicht wussten oder wollten sie das etwa nicht erwähnen?

Prof. Gilles-Eric Séralini ist in diesem Jahr mit dem „Whistleblower Preis“ der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler ausgezeichnet worden. Die führenden Wissen(schafts)-Ressorts der deutschen Tagespresse haben diese Auszeichnung geschlossen kritisiert. Hier mal eine kurze Aufstellung:

-Süddeutsche Zeitung: Aktivist statt Whistleblower

-Die Zeit: Ausgezeichnete Pfeife

-FAZ: Die falschen Helden

-Scilogs (Blogportal von Spektrum): Von Pfeifen und heißer Luft – Whistleblowerpreis für Gentechnikkritiker

Angelika Hilbecks Äußerungen, das BfR sei um Gesichtswahrung bemüht, finde ich sehr gewagt. So sagt BfR-Präsident Prof. Dr. Dr. Hensel in der Bundestagsanhörung:

„Ihre zweite Frage ging so weit zu fragen, wie wir damit umgehen, dass jetzt hier solche wissenschaftliche Divergenzen auftreten. Also Sie sehen mich da eigentlich völlig entspannt, weil die Frage der wissenschaftlichen Divergenz in Risikobewertungsverfahren ist völlig normal. Das haben wir jeden Tag. Das wird geklärt. Dafür gibt es wissenschaftliche Gremien, in denen eben Argumente gewogen werden, so wie sich jetzt auch das JMPR mit der IARC auseinandersetzen wird und versuchen wird, die gleichen Studien heranzuziehen und auch die zukünftigen Bewertungen des JMPR dann eben auch zu verbessern. So werden wir uns, und haben wir uns, auch mit den Argumenten des IARC auseinandergesetzt.“

Hilbecks Organisation positioniert sich ganz klar gegen Gentechnik und damit ist sie – quasi a priori – auch gegen Glyphosat.

Bundesminister Christian Schmidt sagte gestern Abend im ZDF bei „Pelzig hält sich“ zur Glyphosatdebatte:

„Ich werde nicht wissenschaftliche Entscheidungen mit politischer Mauschelei machen, nein, wenn die Wissenschaft das so entscheidet, und wenn die das entscheidet so, dass nicht jeder Grüner damit einverstanden ist, dann tut es mir leid für die Grünen, aber nicht leid für die Wissenschaft.“

Recht hat er!

In der Dokumentation wird die Muttermilch-Stichprobe von Bündnis 90/Die Grünen erwähnt. Ich will jetzt nicht alle Argumente wiederholen: Meine Meinung dazu steht in diesem Offenen Brief . Entgegen der Aussage im Film, dass das BfR keine valide Überprüfung auf Glyphosat in Muttermilch vorgenommen hat, sagt Dr. Solecki am 28. September 2015 in der ZEIT:

„Der von dem Labor benutzte Test ist nicht für Muttermilch geeignet. Da kann er leicht falschen Alarm schlagen. Wir haben zwei erfahrene Labors mit der unabhängigen Entwicklung von Tests beauftragt. Die ersten Ergebnisse aus 50 Muttermilchproben liegen nun vor: Es ist kein Glyphosat drin, und das ist gut so. Glyphosat hat in der Muttermilch nichts verloren.“

Auch die Washington State University hat eine entsprechende Untersuchung durchgeführt und kein Glyphosat in Muttermilch gefunden.

Dass die Grünen sowie die NGOs das Thema unsachlich für ihre Zwecke missbrauchen, sieht man u.a. jetzt an ihrer Reaktion auf die IARC-Bewertung von rotem (Kat. 2A) und verarbeitetem Fleisch (Kat. 1): Wo bleibt die Forderung nach einem Veggie Day 2.0? Wo bleiben die offenen Briefe an die Supermärkte, die gefährlichen Waren aus dem Regal zu nehmen, wie es bei Glyphosat geschehen ist? Finden die das nicht verantwortungslos? Gilt denn das Vorsorgeprinzip nicht mehr? Kein Anschiss des Bundesinstituts für Risikobewertung zur Lobbynähe mit der Fleischindustrie? Hier ist nicht die Empörungsmaschine kaputt, hier weiß man einfach, dass man mit dem Thema nicht punkten kann, weil man sich mit dem Veggie Day im letzten Bundestags-Wahlkampf eine blutige Nase geholt hat.

Mir gehen diese pseudo-kritischen Filme dieser Machart zunehmend auf den Geist. Allein die Bildsprache: Während Séralini in seinem hellen Labor ausschließlich von vorne aufgenommen wird, wird Dr. Solecki von hinten gezeigt, wie er durch die düsteren Gänge seiner Behörde humpelt. Auch die Sequenzen mit den schlecht ausgeleuchteten Monsanto-Mitarbeitern wirken nicht zuletzt durch den Bildausschnitt schräg.

Noch einmal: Das ist kein kritischer Journalismus, sonst hätten man auch einmal die Motive von Séralini, Krüger und Hilbeck hinterfragt. Der Film gibt auch nicht die fachliche Debatte wieder, sondern einen Diskurs, der von bestimmten Medien und Interessengruppen gespeist wird.

Eine positive Sache bleibt zu erwähnen: Der Landwirt, der den Glyphosat-Einsatz erklärt, war gut gewählt: Ein Profi mit entsprechender Kompetenz und technischer Ausstattung. Gut wäre gewesen, wenn mit Bildern illustriert worden wäre, was Erosion bedeutet. So blieb die Motivation des Bauern für den Zuschauer abstrakt.

Mein Fazit: Besser Gift auf dem Acker als Gift im Kopf.

4 Antworten zu „Besser Gift im Acker als Gift im Kopf – eine Filmkritik”.

  1. ein guter Artikel! Die mediale Bearbeitung solcher Filme ist oft sehr professionell und es wird mit allen Tricks gearbeitet. Wir hatten das vor vielen Jahren in München als Prof. Winnacker durch einen Fernsehfilm mit subtilen Bild-Assoziationen aus der Nazi-Zeit dargestellt wurde, dunkle Laborgänge, schwarz-weiss, stark gerastert. Als die Filmemacher darauf angesprochen wurden, taten sie äußerst erstaunt und fragten, wie man ihre „künstlerischen Mittel“ nur so falsch interpretieren kann. Die Auswirkungen waren eindeutig: die Familie von Winnacker wurde bedroht und er musste Polizeischutz beantragen.

  2. […] Recht hat er! ———–> (Weiterlesen bei schillipaeppa.net) […]

  3. Avatar von Prof. Dr. Michael Bockisch
    Prof. Dr. Michael Bockisch

    Das Verhalten der öffentlich rechtlichen Sender ist ja nicht neu. Ich weise in Vorträgen immer darauf hin, dass man am leichtesten mit der vermeintlichen Wahrheit lügen kann. Unvollständige Zitate, aus dem Zusammenhang gerissene Zitate und Andeutungen, die beim Hörer und Seher das erwünschte Bild entsehen lassen – ohne dass man das beabsichtigt hat, also rein zufällig – machen Angst. Zitiert werden dann Aussenseitermeinungen, oft unterlegt mit der Musik, die notwendig ist, die richtige Stimmung zu erzeugen. Das Schlimme ist, dass das schon auf KiKa anfängt, wo die Kinder durch die Kindernachrichten konditioniert werden. Dabei spielen oftmals die Fakten keine Rolle, sondern nur die Emitionen des Moderators. Nur als Beispiel: Kürzlich wurde ein Beitrag über Haie und zum Schutz der Haie gesendet. Der Moderator beiläufig: „Übrigens auch Schillerlocken stammen vom Hai“. Fakt ist, dass die bei uns verkauften Schillerlocken von Nordatlantischen Dornhaien stammen, aus Fischereien, die MSC-zertifiziert nachhaltig gemanagt werden, war dabei belanglos.
    Danke für den Artikkel, machen Sie weiter so und richten Sie sich an dem Zitat von G.C. Lichtenberg auf: „Es ist fast unmöglich, die Fackel der Wahrheit durch ein Gedränge zu tragen, ohne jemandem den Bart zu versengen“. Versengen Sie viele Bärte, ich helfe Ihnen gern dabei!

  4. […] Besser Gift im Acker als Gift im Kopf – eine Filmkritik […]

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