Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) hat eine neue Werbekampagne gestartet: „Hendricks verkündet neue „Bauernregeln“ für eine Landwirtschaft mit Zukunft“ lautet der Titel der dazugehörigen Pressemitteilung. Die Motive, sogenannte neue Bauernregeln, stoßen in der Branche – gelinde gesagt – auf Unverständnis.

Dr. Heike Müller, Landwirtin und  Vizepräsidentin des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern, schreibt an die Ministerin:

„Sehr geehrte Frau Bundesministerin Hendricks,

ich schreibe Ihnen hier als Landwirtin, als Vizepräsidentin eines Landesbauernverbandes, als Landfrau und als Rednerin auf der „Wir-machen-Euch-satt“-Demo in Berlin.

Mit großem Befremden habe ich heute Ihre Kampagne „Neue Bauernregeln“ zu Kenntnis nehmen müssen, für die in mehr als 70 Städten in Deutschland plakatiert werden soll, begleitet von Postkarten, Social Media und einer speziellen Website.

Dass wir Bauern von Seiten der Nicht-Regierungs-Organisationen mit solchen bunten und grafisch im Pippi-Langstrumpf-Stil nett gemachten, aber inhaltlich fragwürdigen Plakaten und Kampagnen angegriffen werden, daran haben wir uns inzwischen schon fast gewöhnt. In einer Demokratie darf man das, das gehört zum gesellschaftlichen Diskurs dazu.

Kommen solche Parolen jedoch von einem Bundesministerium, wurden sie mit Steuergeldern finanziert, bekommt dies eine andere Dimension!

Liebe Frau Hendricks, von solchen Sprüchen wie „Gibt`s nur Mais auf weiter Flur, fehlt vom Hamster jede Spur“, „Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein“, „Zu viel Dünger auf dem Feld geht erst ins Wasser, dann ins Geld“ oder „Haut Ackergift die Pflanzen um, bleiben auch die Vögel stumm“ fühlen wir Bauern uns verhöhnt. Das ist Bauernbashing wie es im Buche steht und wie Sie es, werte Frau Hendricks, auch wenn Sie dies stets bestreiten, schon seit längerer Zeit betreiben. Ich habe Ihre Rede vom 17.Januar sehr aufmerksam gelesen und bin entsetzt über viele Pauschalisierungen, die Sie dort vornehmen. Vom Überschütten der Felder mit Gülle ist dort die Rede, oder von einer Haltung, bei der der Respekt vor dem Tier als fühlendes Lebewesen auf der Strecke geblieben ist.

Was glauben Sie, Frau Hendricks, wie man sich fühlt, wenn man als Tierhalter 365 Tage im Jahr Verantwortung trägt, sich um jedes Einzeltier bemüht, dabei aber in Jahren wie dem vergangenen nichts verdient? Wenn man auch aus dem Ackerbau nur die Hälfte des normalen Umsatzes erlöst hat, weil die Natur nicht mitspielte und auch die Märkte uns nicht freundlich gesonnen waren? Wie man sich fühlt, wenn dann ein Bundesministerium die moderne Landwirtschaft in die Schmuddelecke stellt, unsere Produktionsmethoden in Bausch und Bogen verdammt? Wenn man nur als Subventionsempfänger dargestellt wird, aber niemals als Steuerzahler, der man in normalen Jahren  durchaus ist? Wenn die Eingebundenheit in die Weltmärkte und die vergleichsweise hohen Standards, die wir im Tier- und Umweltschutz bereits erreicht haben, ausgeblendet werden? Wenn ausgeblendet wird, dass zum Beispiel wir hier in Mecklenburg-Vorpommern deutschlandweit die meisten Natura-2000-Gebiete haben, obwohl oder gerade weil wir Landwirte so wirtschaften wie wir wirtschaften? Wenn vor allem ausgeblendet wird, dass die Verbraucher täglich völlig basisdemokratisch an der Ladentheke anders abstimmen als in Umfragen und dass längst nicht alle, die grün wählen, auch grün essen?

Wir Landwirte haben uns schon immer an wechselnde Gegebenheiten anpassen müssen, was die Witterungsbedingungen, die Märkte oder die Verbraucherwünsche anging. Wir Bauern denken nicht nur von Ernte zu Ernte, sondern wir denken in Generationen. Was uns jedoch zunehmend zu schaffen macht, ist die Tatsache, dass in eine Landwirtegeneration mehr als fünf Politikerwahlperioden passen. Das sind fünf Wahlperioden, in denen Politiker sich immer wieder neu profilieren müssen, neue Regelungen auf den Weg bringen, die uns keine Atempausen mehr gönnen.

Solche Kampagnen wie die „Neuen Bauernregeln“, die uns als Landwirte diskreditieren, die uns nur noch als Umweltfrevler oder Tierquäler darstellen, demotivieren uns, lassen aber gleichzeitig auch nach und nach die Wut auf unseren Höfen wachsen.

Frau Hendricks, der Duktus Ihrer Reden und dieser Kampagnen trägt zur selben Polarisierung innerhalb unserer Gesellschaft bei, die Ihre Partei bei anderen Parteien und Gruppierungen zu Recht kritisiert.

Liebe Frau Hendricks, ich habe in meiner Rede bei der „Wir-machen-Euch-satt“-Dialogveranstaltung am 21. Januar in Berlin (das entsprechende Youtube-Video können Sie, wenn Sie mögen, hier verfolgen: https://www.youtube.com/watch?v=P79hlsIiCUI&t=23s) darum gebeten, dass die Politik bitte verbal abrüsten möge. Ich möchte auch Sie darum bitten. Ein fairer Dialog kann nicht so aussehen, dass eine ganze Berufsgruppe ausgegrenzt wird, noch dazu von einem Bundesministerium! Veränderungen kann man nur mit uns Bauern und mit der Mehrzahl der Verbraucher erreichen! Landwirtschaft hieß schon immer auch Evolution!

Wie man einen sachlichen Dialog zu landwirtschaftlichen Fragen führt, können Sie im Übrigen bei Ihrem Parteikollegen Dr. Till Backhaus sehen, mit dem wir Landwirte auch häufig im sehr kritischen Diskurs stehen, der sich jedoch niemals zu solchen populistischen Bauernregeln hinreißen ließe.

Liebe Frau Hendricks, bitte beenden Sie diese unsägliche Kampagne! Als Politikerin sollte man sein Ministerium nicht für einen wie auch immer gearteten Wahlkampf einspannen!

Beste Grüße aus der Mitte von Mecklenburg-Vorpommern

Dr. Heike Müller“

 

Bildnachweis: BMUB

 

6 Antworten zu „Offener Brief an Ministerin Dr. Barbara Hendricks”.

  1. Es ist höchste Zeit, diese unsägliche, auf billiger Propaganda basierenden Kampagne gegen die moderne Landwirtschaft, zu der eben auch molekulare Zuchtmethoden gehören, zu beenden. Sie hat einen ganz billigen populistischen Hintergrund, der auf falscher Angst gründet, geschürt durch die Protestindustrie. Bisher hat es nicht einmal ein nachgewiesenes Kopfweh gegeben, dass auf die ach so schlimme Gentech zurückgeführt werden kann. Ganz im Gegensatz zur Biolandwirtschaft, die trotz aller ihrer guten Elemente eben tatsächlich bei mehrfachen Vorkommnissen schon viele Tote verursacht haben, alles mit Volltext-Zitaten nachzulesen in:
    Ammann Klaus (20160303) Sproutbreak,Severe incidence of an Escherichia Coli O104-H4 outbreak in Northern Germany in early summer 2011, AF-16 ASK-FORCE 16 25 pp http://www.ask-force.org/web/AF-16-EHEC-Sproutbreak/Ammann-EHEC-Outbreak-2011-Norhern-Germany-20160303.pdf AND slides http://www.ask-force.org/web/Escherichia/Ammann-SPROUTBREAK-EHEC-slides-20150814.pdf

    Es wäre schön, wenn Frau Hendriks sich tatsächlich die Mühe nehmen könnte, diese Zusammenfassung zu lesen, anstatt kritiklos dass Propaganda-Geplapper der Gentech-Opposition zu übernehmen. Klaus Ammann

  2. Frau Hendricks wird weder diesen Artikel noch die Kommentare dazu lesen. In irgendeiner Unterabteilug ihres Ministeriums wird ein Angestellter einen Blick darauf werfen, ein kleines Textanalyseprogramm wird kurz darübergejagt, um ev. Beleidigungen oder falsche Links zu finden, dann landet das ganze im Papierkorb.

    So ist das nun mal, wenn man an den Hebeln der Macht sitzt.

  3. Immerhin hat das Mäuschen gesagt

  4. hier startet der Wahlkampf auf sehr niedrigem Niveau! Frau Hendricks zwischert mit Schüttelreimen gegen eine ganze Berufsgruppe- Trump like! Die Parteien um die bürgerliche Mitte sollten bedenken, dass wenn sie auf Populismus setzen warscheinlich den kürzeren ziehen, denn dieses Instrument beherschen die Parteien am linken und rechten Rand noch besser! Wahlkampf mit Schüttelreimen gefährdet die Demokratie!

  5. […] des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern, wie es auch bereits Susanne Günther in ihrem Blog  schillipaeppa.net tat. Grund für diesen offenen Brief ist eine Aktion des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz, […]

  6. […] hatte – wie viele andere auch – an die Ministerin geschrieben. Zu lesen war ihr Offener Brief an Frau Dr. Hendricks auch hier im Blog. Jetzt ist eine Antwort vom Ministerium eingetroffen. Möge sich jeder sein […]

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