Sie kommen mit Ihrer 3-Mann-Umweltorganisation nicht so recht voran? Sie sehen in der öffentlichen Debatte bei Ihren Kernthemen die Felle wegschwimmen, weil Sie nicht genug Manpower haben, um die aktuelle Studienlage zu überblicken und auszuwerten? Sie kommen im allgemeinen Medien-Tohuwabohu mit Ihren Thesen nicht mehr durch? – Ihnen kann geholfen werden: Solange Sie sich inhaltlich mit dem passenden Bundesministerium einig sind, findet sich im Bundeshaushalt sicher noch ein Töpfchen für Sie, das man anzapfen kann.
Sie brauchen auch gar keine großartigen Qualifikationen mitbringen, Ihre Tätigkeit als mehr oder weniger selbst-ernannter NGO-Experte reicht da völlig aus. Natürlich wäre es sinnvoll, dass Sie auf die eine oder andere Veröffentlichung in einem Peer-Review-Journal verweisen könnten, falls mal jemand lästigerweise nachfragt. Aber es genügt, wenn Sie das glaubhaft versichern, so etwas Umständliches wie eine Publikationsliste brauchen Sie für Ihren Antrag nicht. Schauen Sie doch einfach mal in den Ressortforschungsplan 2018 des Bundesumweltministeriums (UFOPLAN): Der Rahmen ist so allgemein gehalten, mit ein wenig Phantasie bekommen Sie Ihre Projekte dort auch hineindefiniert. Wenn Sie eine Gentechnik-kritische Organisation verwalten, passt z. B. der Aspekt „Sicherung des Schutzes von Natur und Umwelt bei der weiteren Entwicklung und Nutzung der Gentechnik“ (ebd. S. 47) ganz hervorragend zu Ihrem Portfolio. Das Tolle: Als offenes Förderinstrument ist der UFOPLAN nicht auf öffentliche Einrichtungen beschränkt, so dass Sie mit ihrem eingetragenen Verein antragsberechtigt sind. Nur Mut: Allein im Bereich Naturschutz sind in 2018 für den Titel „Forschung, Untersuchungen und Ähnliches“ rund 16 Millionen Euro im Bundeshaushalt eingestellt. Ran an den Speck!
Das klingt nach Bananenrepublik? – Das ist Realität! Im Mai dieses Jahres gab die Anti-Gentechnik-NGO Testbiotech e.V. bekannt, dass eine neue Fachstelle Gentechnik und Umwelt (FGU) eingerichtet worden ist. Die Liste der im Wissenschaftlichen (!) Beirat dieser sogenannten Fachstelle vertretenen Organisation liest sich wie das Who-is-Who der Anti-Gentechnik-Szene in Deutschland: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) e.V., Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Bund Naturschutz (BN), Gen-ethisches Netzwerk (GeN), Interessengemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutarbeit (IG Saatgut), Save our Seeds (SOS) und Testbiotech.
Der Sinn des Beirates ist es, eine „Einflussnahme von Akteuren, die ein wirtschaftliches Interesse an der Verwertung der Technologien haben,“ auszuschließen. Die Aufgabe der Fachstelle wird auf deren Website folgendermaßen beschrieben:
„Als Fachstelle beobachtet und bewertet die FGU – unter Einbezug der Zivilgesellschaft – systematisch aktuelle wissenschaftliche und regulatorische Entwicklungen. Ihre Analysen haben vorausschauenden Charakter und geben dem Vorsorgeprinzip besonderes Gewicht. Auf diesen Seiten veröffentlicht die FGU regelmäßig wissenschaftliche Informationen zu Fragestellungen im Zusammenhang mit den neuen gentechnischen Verfahren.“
Mit „neuen gentechnischen Verfahren“ sind die Techniken des Genome Editing wie CRISPR/Cas und Co gemeint. Und nun kommt es: Diese offensichtlich nicht wirklich neutrale Fachstelle wird zu 100 Prozent aus Steuermitteln finanziert. Im Rahmen einer Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz gibt das Bundesamt für Naturschutz (BfN) einen groben Überblick über die Projektförderung:
„Das Projekt „Systematische Vorschau Gentechnik“ hat ein Budget von 203.580 € und eine Laufzeit vom 01.10.2017 bis zum 28.02.2020. Es wurde als Zuwendung bewilligt, nachdem Testbiotech e.V. mit einem entsprechenden Antrag an das BfN herangetreten war. Als offenes Förderinstrument ist der UFOPLAN nicht auf öffentliche Einrichtungen beschränkt, so dass Testbiotech als eingetragener Verein antragsberechtigt war.
Testbiotech e.V. hat bereits wissenschaftlich gearbeitet und dies beispielsweise durch in Peer Reviews überprüfte Veröffentlichungen in Fachzeitschriften belegt. Generell haben Zuwendungsempfänger wissenschaftliche Standards einzuhalten und dies auch zu belegen.“
Offensichtlich handelt es sich bei der Fachstelle um kein ausgeschriebenes Projekt, sondern um eines, das auf Antrag bewilligt wurde. Gut 200.000 € für knapp zweieinhalb Jahre entspricht ungefähr einer Vollzeitstelle für einen Wissenschaftler. Das einzige, was Testbiotech beisteuern muss, ist der Schreibtisch für die neue Kollegin, Räumlichkeiten und ein wenig Infrastruktur.
Auf Nachfrage teilt das BfN mit, dass der komplette Förderantrag von Testbiotech online abrufbar sei. Auf die Frage, wie der Verein nachgewiesen habe, dass er wissenschaftlich arbeitet, antwortet das BfN:
„Testbiotech wurde 2008 als Institut zur unabhängigen Folgenabschätzung im Bereich der Biotechnologie gegründet. Die Institutsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen, darunter zwei promovierte Naturwissenschaftler, eine promovierte Philosophin und ein Agraringenieur. Von Testbiotech durchgeführte oder unterstützte Projekte wurden bereits mehrfach in wissenschaftlichen Magazinen nach einem entsprechenden peer review-Prozess veröffentlicht. Testbiotech arbeitet gemeinsam mit verschiedenen Universitäten an internationalen Forschungsprojekten, u.a. an dem Projekt „GeneTip“, das mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung finanziert wird (www.genetip.de)
Dr. med. vet. Christoph Then (Geschäftsführer und wissenschaftlicher Direktor von Testbiotech) wird regelmäßig in seiner Eigenschaft als Gentechnik-Experte zu fachlichen und politischen Veranstaltungen als Redner eingeladen. Darüber hinaus wurde er u.a. vom Deutschen Bundestag und dem EU-Parlament als Experte angefragt.“
Die Umschreibung „Institut zur unabhängigen Folgenabschätzung im Bereich der Biotechnologie“ entspricht der Selbstbeschreibung des Vereins im Antrag. Studiert haben reicht anscheinend, um als „Wissenschaftler“ angesehen zu werden. Selbst die taz führt Testbiotech-Front-Mann Christoph Then nicht als Experten, sondern als „Anti-Gentechnik-Aktivisten„. Das scheint beim BfN allerdings niemanden zu irritieren. Unter den Antragsunterlagen ist jedenfalls keine Publikationsliste zu entdecken, mit der der Antragsteller seine wissenschaftliche Tätigkeit nachgewiesen hätte.
Laut BfN sehe der Titel „Forschung, Untersuchungen und Ähnliches“ (Kapitel 1604 Titel 544 01) des Bundeshaushaltes „bei Bestehen der allgemeinen Voraussetzungen der §§ 23, 44 der Bundeshaushaltsordnung – die Bewilligung von Zuwendungen ausdrücklich vor“.
§ 23 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) lautet:
„Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen für Leistungen an Stellen außerhalb der Bundesverwaltung zur Erfüllung bestimmter Zwecke (Zuwendungen) dürfen nur veranschlagt werden, wenn der Bund an der Erfüllung durch solche Stellen ein erhebliches Interesse hat, das ohne die Zuwendungen nicht oder nicht im notwendigen Umfang befriedigt werden kann.“
Nun, welches erhebliche Interesse hat der Staat daran, eine NGO bei ihrer Arbeit zu unterstützen? Der Förderantrag sieht nicht vor, dass neue Erkenntnisse in der Risikobewertung von Genome Editing generiert werden sollen. Es ist einzig und allein geplant, den öffentlichen Diskurs zu gestalten, und zwar so, wie die beteiligten zivilgesellschaftlichen Organisationen das gerne hätten.
Aktiv geworden ist die FUG Anfang Juni mit einem Parlamentarischen Frühstück. Die Thesen, die dort präsentiert worden sind, entsprachen im wesentlichen dem, was Testbiotech auf der vereinseigenen Website zum Thema Genome Editing veröffentlicht hat. Man hat sich auch gar nicht erst die Mühe gemacht, das Thesenpapier mit einem FUG-eigenen Branding zu versehen, sondern verwendet einfach das von Testbiotech:
Laut Finanzplan sind mehrere Workshops („insbesondere einmal im Jahr“) der Fachgruppe mit Vertretern von Bundesumweltministerium (BMU) und BfN sowie des Beirats geplant:
„Die Workshops dienen dem Austausch mit dem Beirat des Projektes (NGOs) sowie mit BfN und BMUB. Bezahlt werden Tagungs- und Reisekosten für je etwa 6 Personen inklusive Übernachtung (je 300 €).“
Na prima, da werden dann vermutlich die nächsten Anti-Gentechnik-Kampagnen gemeinsam vorbereitet – auf Staatskosten.
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