Im vergangenen Sommer ließ die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen 16 Muttermilch-Stichproben auf Glyphosat untersuchen. Bei der Analyse, die man von einem tiermedizinischen Labor  durchführen ließ, wurden die Grünen fündig und schlugen Alarm:

„Als Bundestagsfraktion haben wir lange überlegt, ob wir Muttermilch auf Glyphosat testen und in Kauf nehmen sollen, damit stillende Mütter möglicherweise zu verunsichern, obwohl Muttermilch so wichtig für Säuglinge ist. Letztendlich haben wir uns für die Veröffentlichung entschieden, weil bei einem so wichtigen Thema wie Muttermilch und Gesundheit von Säuglingen mögliche Risiken nicht vom Tisch gewischt oder kleingeredet werden dürfen.“

Die Methodik der Stichprobe wurde damals massiv kritisiert. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) stellte das Testverfahren in Frage und beauftragte eigene Untersuchungen. Die Ergebnisse liegen jetzt vor: Es wurde kein Glyphosat in Muttermilch gefunden.

Und wie reagieren die Grünen nun darauf? Sie loben sich selbst und feiern in einer Verlautbarung „Endlich amtliche Muttermilch-Tests“:

„Es gab zu diesem Zeitpunkt noch keine validierte Testmethode mit ausreichender Empfindlichkeit. Erst nach unserer Untersuchung ist das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) selbst aktiv geworden.“

Das stimmt nicht: Im Juli letzten Jahres – rund vier Wochen nach der Veröffentlichung der Grünen – meldet die Washington State University, dass ihre Forscherin Michelle McGuire mit einem hoch-sensiblen Verfahren kein Glyphosat in Muttermilch gefunden hat und reagierte damit auf eine Veröffentlichung aus 2014 von Moms Across America, einer Anti-Gentechnik-Organisation.

Doch selbst wenn die Aussage zutreffen würde, dass es zum Zeitpunkt der Grünen-Stichprobe keine validierte Testmethode für Glyphosat in Muttermilch gab, stellt sich die folgende Frage: Wenn die Grünen-Abgeordneten davon ausgingen, dass es keine validierte Testmethode gibt, warum haben sie dann überhaupt eine Analyse in Auftrag gegeben – wohl-wissend, dass die Ergebnisse eigentlich nicht aussagekräftig sein können? Die Pressemitteilung vom letzten Sommer lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass man an die Wahrhaftigkeit der eigenen Ergebnisse glaubt:

„Bärbel Höhn, Vorsitzende des Umweltausschusses, findet die Werte beunruhigend: „Offensichtlich findet ein Übergang in die Muttermilch statt. Zwar können die Frauen auch selbst etwas tun, um die Belastung gering zu halten. Aber es können und wollen nicht alle komplett auf Biokost umsteigen. Die Bundesregierung muss Glyphosat aus dem Verkehr ziehen, bis die Frage der krebsauslösenden Wirkung geklärt ist.““

oder

„Harald Ebner, Mitglied im Agrarausschuss des Bundestages fordert deshalb: „Die Ergebnisse zeigen vor allem eines: Glyphosat ist allgegenwärtig. Dass in jeder untersuchten Muttermilchprobe mehr Glyphosat gemessen wurde, als für Trinkwasser zulässig ist, macht den dringenden Handlungsbedarf deutlich.““

Haben die Grünen also ganz bewusst die Öffentlichkeit getäuscht? Haben sie in Kauf genommen, Tausende von Müttern zu verunsichern?

Heute überrascht die Bundestagsabgeordnete Bärbel Höhn mit einer Twitter-Meldung:

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Auf einmal ist das vom BfR entwickelte Testverfahren nicht so sensibel wie die damals bei der Grünen-Stichprobe verwendete Methode? Ja, was denn nun?

Die Grünen schreiben:

„Die Politik braucht zuverlässige wissenschaftliche Ergebnisse, auf die sie ihre Entscheidungen stützen kann.“

Liebe Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen: Es gibt diese zuverlässigen wissenschaftlichen Ergebnisse! Würden Sie die doch bitte endlich zu Kenntnis nehmen?

3 Antworten zu „Die Grünen in der Pestizid-Sackgasse: Kein Glyphosat in Muttermilch nachweisbar”.

  1. Avatar von Wolfgang Nellen
    Wolfgang Nellen

    Es ist zu fragen, ob es sich bei der Auftragsuntersuchung von B90/Grüne um wissenschaftliches Fehlverhalten bzw. Anstiftung zu wissenschaftlichem Fehlverhalten handelt. Laut Harald Ebner gab es zur Zeit des Auftrags keine validierten Tests (bzw. waren sie der Partei B90/Grüne nicht bekannt). Folglich wurde ein Labor beauftragt mit unangemessenen Verfahren Daten zu produzieren, die sich jetzt erwartungsgemäß als falsch herausstellen. Diese wissenschaftlich unhaltbaren Daten wurden dann in einer groß angelegten Kampagne an die Presse geleitet, die die Information meist völlig ungeprüft übernahm.
    Die Folge war eine massive und völlig ungerechtfertigte Verunsicherung von mindestens 100.000 stillenden Müttern. Wie viele von ihnen aufgrund des politischen Alarmismus das Stillen eingestellt haben ist ebenso unbekannt wie weitere psychologische Folgen.
    Harald Ebner hält das anscheinend für einen gerechtfertigten Kollateralschaden, weil B90/Grüne damit „etwas in Gang gesetzt haben“. Ironie der Geschichte: die schwierige, technisch anspruchsvolle Glyphosatanalyse in Muttermilch wurde vor der Aktion von B90/Grüne von Monsanto entwickelt und validiert.

  2. […] Facebook verbreitet Fake News, heißt es. Das komme daher, dass keiner die Nachrichten auf Facebook kontrollieren würde. Zur Verbreitung von Fake News braucht es aber gar nicht Facebook, sondern nur die Deutsche Presse-Agentur (dpa) und unkritische Redaktionen, die die Tickermeldung einfach übernehmen. Als die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Sommer 2015 meldete, bei einer Stichprobe den Herbizid-Wirkstoff Glyphosat in Muttermilch gefunden zu haben, war es vor allem der dpa zu verdanken, dass diese “Sensation” in Deutschland die Runde machte. Die Agentur-Redakteurin verlieh der Meldung erst den richtigen Spin, indem sie eine Einschätzung der emeritierten Wissenschaftlerin Irene Witte, Professorin am Institut für Toxikologie der Universität Oldenburg, einholte. Diese fand die Ergebnisse “untragbar” und besorgniserregend. Dadurch dass die “Experten”-Einschätzung mit dem Text mitgeliefert wurde, haben sich viele Journalisten das Gegenchecken erspart, falls sie das bei Agenturmeldungen überhaupt in Betracht ziehen. Dabei hätte ein Blick auf die Untersuchungsergebnisse gereicht, um stutzig zu werden: Es handelt sich nämlich um ein zweiseitiges Befundfax aus einem veterinärmedizinischem Labor und ist unterschrieben von einer Tierärztin. Bis auf wenige Ausnahmen, zum Beispiel der Stern, haben die Redaktionen nicht selbst hinterfragt, inwieweit die Ergebnisse plausibel sind und ob eine Gesundheitsgefahr besteht. Als im Februar 2016 das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) mit eigenen Tests darauf aufmerksam machte, dass Glyphosat nicht in Muttermilch zu finden ist, mussten die Grünen zurückrudern. […]

  3. […] Bundestagsfraktion eine Studie in einem ungeeigneten Labor mit ungeeigneten Methoden anfertigen und ging sofort an die Öffentlichkeit (die Original-Pressemitteilung und die „Studie“ haben die Grünen vorsorglich von ihrer […]

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