Postfaktischer Adventskalender, Teil 18: Anbauverbot für Gentechnik

Am letzten Freitag hat der Bundesrat seine Stellungnahme zu den Plänen der Bundesregierung zur Änderung des Gentechnikgesetzes beschlossen. Der vom Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) erarbeitete Gesetzentwurf geht der Länderkammer nicht weit genug. Die Hürden in dem entworfenen Verfahren für ein bundesweites Anbauverbot für gentechnisch veränderte Nutzpflanzen seien zu hoch:

„Es ist zu erwarten, dass es ein bundeseinheitliches Anbauverbot mit dieser Regelung nicht geben wird. Vielmehr werden zusätzliche bürokratische Hürden errichtet und die Begründungslast trotz der vordergründig beim Bund liegenden Federführung wieder auf die Länder verlagert. Eine einvernehmliche Regelung für ein Anbauverbot wird damit stark erschwert, was im Ergebnis zu einem Scheitern bundeseinheitlicher Opt out-Maßnahmen und einem Flickenteppich beim Anbau gentechnisch veränderter Organismen führen kann. Der Bundesrat hält eine Nachbesserung des Gesetzentwurfs deshalb für dringend geboten.“

Auch missfallen dem Bundesrat die Regelungen, die die Bundesregierung in ihrem Entwurf zu den neuen Züchtungstechnologien eingefügt hatte. Solange die EU keine anderweitige Entscheidung fällt, sollten die mit neuen Züchtungstechnologien gezüchteten Pflanzen nicht grundsätzlich wie Gentechnik-Pflanzen behandelt werden, sondern einer Einzelfallprüfung unterzogen werden.

„Die Bundesregierung geht davon aus, dass auch bei der Freisetzung und dem Inverkehrbringen von Organismen, die mittels neuer Züchtungstechniken wie CRISPR/Cas9 erzeugt worden sind, unter Zugrundelegung des Vorsorgeprinzips und des Innovationsprinzips ein hohes Maß an Sicherheit gewährleistet wird. Vorbehaltlich einer anderweitig bindenden Entscheidung auf EU-Ebene wird zu diesem Zweck im Rahmen von Einzelfallprüfungen im Gentechnikrecht eine prozess- und produktbezogene Betrachtung und Bewertung zu Grunde gelegt.“

Die Länderkammer hat dazu folgende Stellungnahme verabschiedet:

„Der Bundesrat teilt die in der Begründung zum Gesetzentwurf auf Seite 11, zweiter Absatz, dargelegte Auffassung der Bundesregierung zu den neuen Gentechniken nicht. Er hält es auch nicht für sachgerecht, in die Begründung zum Gesetzentwurf Auslegungsvorgaben zu den neuen Gentechniken aufzunehmen, die keinerlei Bezug zum Regelungsteil des Entwurfs haben. Inhaltlich ist der Bundesrat der Ansicht, dass dem Vorsorgeprinzip im Umgang mit den neuen Gentechniken oberste Priorität eingeräumt werden sollte. Dessen Gleichsetzung mit einem nicht näher definierten Innovationsprinzip wird abgelehnt. Der Bundesrat vertritt die Auffassung, dass unter Einsatz der neuen Gentechniken erzeugte Organismen so lange einer prozessbezogenen Bewertung unterzogen werden müssen, solange es keine europäische Entscheidung darüber gibt, ob einzelne dieser Techniken aus dem Regelungsbereich des Gentechnikrechts herausfallen. Demzufolge sollten alle Organismen, die mit Hilfe der neuen Gentechniken erzeugt werden, zunächst dem Gentechnikgesetz unterfallen.“

 

genmais_spanienFür mich stellt sich die Frage, warum wir in Deutschland überhaupt ein bundesweites Anbauverbot für gentechnisch verbesserte Nutzpflanzen haben sollten. Die EU räumt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, ein solches Verbot zu erheben, es besteht aber von seiten der EU keine Verpflichtung dazu, das auch zu tun. Faktisch ist derzeit in Deutschland verboten, Gentechnik-Pflanzen anzubauen. Die einzige in der EU zugelassene gentechnisch veränderte Sorte ist der Mais Mon810, und der Anbau dieser Sorte wurde in Deutschland verboten. In der EU haben wir somit den bemäkelten Flickenteppich: In Spanien und Portugal wird nämlich gentechnisch verbesserter Mais angebaut.

Die Wissenschaft reagiert kritisch auf das Gesetzgebungsvorhaben. Der Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland (VBIO e. V.) hat gemeinsam mit Fachgesellschaften aus den Bereichen Molekularbiologie und Pflanzenwissenschaften eine Stellungnahme formuliert, die auf vier kritische Aspekte hinweist:

„1. Von der vorgeschlagenen „Opt-out-Regelung“ geht eine Signalwirkung auf die Forschung aus. Dies wird mittelbar auch die wissenschaftliche Beschäftigung mit modernen Züchtungstechnologien beeinträchtigen.

2. Die „zwingenden Gründe“, mit denen künftig ein Anbauverbot erlassen werden kann, unterliegen nur teilweise wissenschaftlicher Rationalität. Dies ist politisch legitim, muss aber transparent gemacht werden. Stattdessen wird häufig suggeriert, die zukünftig möglichen Anbauverbote stünden in Zusammenhang mit einer Gefährdung, die von den gentechnisch veränderten Pflanzen ausginge.

3. Ein von den Kritikern des Kabinettsentwurfs gefordertes, weitergehendes nationales Anbauverbot ist fachlich nicht zu begründen und sowohl politisch wie juristisch zweifelhaft.

4. Die Opt-out-Regelung benachteiligt Anbau und Entwicklung gentechnisch veränderter Pflanzen in einem Maße, wie dies für andere Branchen – wie beispielsweise die Automobilbranche – kaum vorstellbar ist.“

Punkt 3 trifft auf die Kritik aus der Länderkammer zu. Nach den Vorgaben der EU kann ein Anbauverbot nicht mit Sicherheitsbedenken begründet werden, weil die Sicherheit des Anbaus zuvor bei der Zulassung auf EU-Ebene geprüft worden ist. Es müssen politische Gründe vorgebracht werden:

„Kritiker verlangen darüber hinaus ein pauschales nationales Anbauverbot ohne spezifische Begründung und Verantwortung, aber auch ohne Entscheidungsfreiheit der einzelnen Bundesländer. Allerdings ist eine unisono länderübergreifende Formulierung gar nicht möglich, da die vorzubringenden „zwingenden Gründe“ in der Regel nur regionalen oder lokalen Charakter haben können – etwa kleinflächige landwirtschaftliche Strukturen oder Naturschutzgebiete.“

Generell stellt der VBIO in Frage, wie sinnvoll ein Verbot von Produkten sei, die „nach eingehender fachlicher Prüfung als sicher für Mensch und Umwelt eingestuft wurden“.

In diesem Zusammenhang wird häufig auf den Koalitionsvertrag der Großen Koalition verwiesen. Dort steht unter dem Punkt „Grüne Gentechnik“:

„Wir erkennen die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik an.

Wir treten für eine EU-Kennzeichnungspflicht für Produkte von Tieren, die mit genveränderten Pflanzen gefüttert wurden, ein. An der Nulltoleranz gegenüber nicht
zugelassenen gentechnisch veränderten Bestandteilen in Lebensmitteln halten wir fest – ebenso wie an der Saatgutreinheit.“

Aus „Vorbehalte anerkennen“ folgt m.E. nicht, dass ich grundsätzlich verbieten muss, wogegen Vorbehalte bestehen. Und: Der Koalitionsvertrag ist jetzt drei Jahre alt. Ende 2013 war außerhalb der Fachwelt noch nicht greifbar, welche Möglichkeiten Genome Editing auch in der Pflanzenzüchtung zu bieten hat. Es muss doch auch in der Politik möglich sein, zu sagen: „Wir sind jetzt klüger als vor drei Jahren und können jetzt weiter sehen.“ Oder?

 

Links:

• Bundesweites Anbauverbot für genetisch veränderte Pflanzen gefordert

• Biowissenschaftler zur Debatte um die Änderung des Gentechnikgesetzes

• Biotech-Industrie fordert Folgenabschätzung für neues Gentechnikgesetz

 

 

Bildnachweis: Facebook-Eintrag der Bundesregierung

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