„Fight for the compensation you deserve“ – „Kämpfen Sie für die Entschädigung, die Ihnen zusteht“ – sagt die freundliche Dame im Fernsehspot der Kanzlei Weitz and Luxenberg. Die Kanzlei hat diverse solche Spots on Air und spricht mögliche Betroffene an, die zum Beispiel ein neues Hüftgelenk bekommen haben, mit Asbest in Kontakt gekommen sind oder bestimmte Medikamente genommen haben (z.B. Invokana, Zoloft, Prilosec, Nexium, Prevacid, Protonix, Xarelto). Ein Spot beschäftigt sich mit dem Unkrautbekämpfungsmittel Roundup von Monsanto: Die WHO habe festgestellt, dass Glyphosat, der Wirkstoff aus Roundup, möglicherweise Krebs erzeugen könnte. Wenn man die Krebsarten „Non-Hodgin’s Lymphoma“, „Hairy Cell Leukemia“ oder „Chronic Lymphocytic Leukemia“ habe und mit Roundup Kontakt hatte, solle man anrufen: „CALL NOW“. Unter http://weedkillercancer.com/ betreibt Weitz and Luxenberg eine eigene Website, wo sich Betroffene melden können.

totalrecall_buntWeitz and Luxenberg vertritt zurzeit zusammen mit der Kanzlei Lundy, Lundy, Soileau & South Kläger bei einem Schadenersatzklage gegen Monsanto. Ausgerechnet aus Gerichtsunterlagen aus diesem Verfahren geht hervor, dass mit Christopher Portier ein prominenter Glyphosat-Gegner seit dem 29. März 2015 bei diesen beiden Firmen als Berater für genau diesen Prozess gegen Monsanto unter Vertrag steht. Das Pikante: Portier hatte bislang bei all seinen öffentlichen Auftritten nichts von diesem Engagement verlauten lassen. Laut Vertrag durfte er das auch gar nicht. Erst als er am vergangenen Dienstag im Europaparlament auftrat, erwähnte er die Beratertätigkeit mit dem Zusatz, dass er in der Anhörung allerdings als Privatperson („private citizen“) auftreten würde. Ihm blieb aber auch nichts anderes übrig, weil zu diesem Zeitpunkt das Protokoll seiner eidesstattlichen Aussage online auf dem Server der NGO U.S. Right to Know zur Verfügung stand. Und: Am 20. März 2015 hatte die Internationale Krebsforschungsagentur IARC verkündet, dass sie Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hat. Portier war als „Invited Specialist“ Mitglied der Arbeitsgruppe, die diese Einstufung beschlossen hat. Leider kann sich Christopher Portier nicht mehr daran erinnern, wann genau er sich mit seinem Auftraggeber Lundy, Lundy, Soileau & South das erste Mal traf, um über den Prozess gegen Monsanto zu sprechen.

Portier ist in den letzten Monaten offensiv als Kritiker der Europäischen Regulierungsbehörden  EFSA und ECHA aufgetreten, die Glyphosat nicht als krebserregend einordnen. So hat er zuletzt im Mai dieses Jahres einen Offenen Brief an Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker verfasst. Weder in diesem Brief noch bei seinem Auftritt in einer Öffentlichen Anhörung im Deutschen Bundestag hat er von seinem Engagement im Prozess gegen Monsanto berichtet.

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Weiter geht aus der eidesstattlichen Aussage Portiers hervor, dass er bereits vor der IARC-Entscheidung über Glyphosat für die Kanzlei Lundy, Lundy, Soileau & South gearbeitet hat, und zwar zu einem anderen Thema. Portier darf das Thema nicht nennen, aber er gibt zu, dass es auch um Expositionen geht, bei deren Bewertung durch die IARC er als Mitglied der Arbeitsgruppe mitgearbeitet hat. Eigentlich müssen Interessenkonflikte angegeben werden, wenn man als Mitglied einer IARC-Arbeitsgruppe fungiert. Weil Portier für die US-amerikanische NGO Environmental Defense Fund (EDF) gearbeitet hat, wurde er bei der Glyphosat-Arbeitsgruppe auch nur als „Invited Specialist“ geführt und nicht als ordentliches Mitglied.

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IARC-Angestellte Kate Guyton sagte diese Woche bei der Anhörung im Europaparlament: „Bei finanziellen Interessen fehlt oft die Objektivität.“ Das ist eine interessante Aussage! Neben Christopher Portier hat mit Charles W. Jameson ein weiteres Mitglied der Glyphosat-IARC-Arbeitsgruppe ein bezahltes Gutachten (Stundenlohn: 400 US Dollar) für die Klägerseite im Prozess gegen Monsanto verfasst. Jameson hat bisher zweimal im Prozess ausgesagt. Bei der Anhörung des Vorsitzenden der Glyphosat-IARC-Arbeitsgruppe, Aaron Blair, wurde bekannt, dass bei der IARC-Bewertung bedeutende Ergebnisse aus der American Health Studie nicht berücksichtigt worden sind, weil diese „aus Platzgründen“ noch nicht veröffentlicht worden waren. Es bleibt spannend.

Letzte Aktualisierung: 15.10.2017, 9:45 Uhr. In einer älteren Fassung hieß es, dass Portier seine Beratertätigkeit noch nie öffentlich erwähnt hatte. Das wurde korrigiert. 

 

Links:

Greed, Lies and Glyphosate: The Portier Papers

Europäische Glyphosatbewertung erfolgte qualitätsgesichert und unabhängig

«Die Zulassungsbehörden haben ihren Job nicht gemacht» Interview mit Christopher Portier

Aussage Christopher Portier

1. Aussage Charles W. Jameson

2. Aussage Charles W. Jameson

Aus Platzgründen weggelassen

 

Bildnachweis: Screenshot https://www.ispot.tv/brands/dJB/weitz-and-luxenberg

13 Antworten zu „Portier Papers”.

  1. Avatar von Wolfgang Nellen
    Wolfgang Nellen

    Der nicht angegebene Interessenkonflikt von Portier und Jameson sind besonders pikant wenn man folgendes Szenario bedenkt:
    Eine Anwaltskanzlei sucht sich Klienten zusammen die glauben, dass sie durch Glyphosat geschädigt wurden. Die Klienten zahlen nichts, nur beim Erfolg einer Klage gegen Monsanto geben sie bis zu 50% der eingeklagten Entschädigungssumme an die Kanzlei ab. Bei mehreren hundert Klienten ein Geschäft von vielen Millionen!
    Die IARC ist eine Einrichtung der WHO, die Krebsgefahren (nicht Risiken!) durch Substanzen bewertet. Unter anderem hat die IARC das Herbizid Glyphosat als „möglicherweise krebserregend“ eingestuft.
    Die Anwaltskanzlei heuert zwei Mitarbeiter der IARC Arbeitsgruppe zu Glyphosat als Berater an und bezahlt sie sehr gut (Dr. Portier hat bisher mindestens 160.000 US$ bekommen).
    Was bekommt die Kanzlei dafür? Zuerst, so muss man vermuten, Insiderinformationen über den Stand der Glyphosatbewertung und damit eine gute Abschätzung, welche Erfolgsaussichten die Klage hat und wie hoch man wohl „pokern“ kann.
    Die IARC Arbeitsgruppe stellt die Bewertung für Glyphosat zusammen. Kann man ausschließen, dass die beiden Mitarbeiter die Entscheidung im Sinne ihres großzügigen Geldgebers (der Anwaltskanzlei) beeinflusst haben? Das wird man nie eindeutig klären können. Deshalb müssen die Mitarbeiter der Arbeitsgruppe eventuelle Interessenkonflikte offenlegen. Das haben Portier und Jameson nicht getan. Warum wohl?
    Man könnte, nein man muss nun die Frage stellen, wie die Glyphosatbewertung der IARC entstanden ist.
    Die sogenannten „Portier Papers“ sind seit etlichen Tagen frei verfügbar. Die deutschen Medien zitieren nach wie vor Portier als Kronzeugen gegen Glyphosat. Der Interessenkonflikt und beachtliche Geldsummen, die möglicherweise das IARC Urteil beeinflusst haben, interessieren nicht.

  2. Unter diese Voraussetzungen sollte sich Portier den Karlsruher „Wistleblower-Preis 2018“ gewiss sein.

  3. „Erst als er am vergangenen Dienstag im Europaparlament auftrat, erwähnte er die Beratertätigkeit“

    Portier hat seine Beratertätigkeit mindestens seit 2016 offengelegt, siehe die Erklärung zu Interessenkonflikten im Artikel über die Differenzen zwischen der IARC- und der Efsa-Bewertung: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4975799/pdf/jech-2015-207005.pdf

    1. Vielen Dank für diesen Hinweis! Das Kleingedruckte wurde offensichtlich nie beachtet. Was mich irritiert, ist, dass die Angaben dort nicht mit der Aufstellung übereinstimmt, die sich bei den Gerichtsunterlagen findet: https://usrtk.org/wp-content/uploads/2017/10/Expert-witness-list-for-plaintiffs.pdf.

      1. Was stimmt nicht überein?

      2. In dem Paper steht „CJP, MTS and DDW are providing advice to a US law firm involved in glyphosate litigation.“ – also Christopher J Portier, Martyn T Smith und Dennis D Weisenburger. In der Liste der Experten im Prozess taucht Martyn T Smith nicht auf, dafür aber Charles W Jameson. Für Jameson ist der Interessenkonflikt im Paper nicht ausgewiesen. Das kann aber auch daran liegen, dass er erst später dazu gestoßen ist.

  4. „Weiter geht aus der eidesstattlichen Aussage Portiers hervor, dass er bereits vor der IARC-Entscheidung über Glyphosat für die Kanzlei Lundy, Lundy, Soileau & South gearbeitet hat, und zwar zu einem anderen Thema. Portier darf das Thema nicht nennen, aber er gibt zu, dass es auch um Expositionen geht, bei deren Bewertung durch die IARC er als Mitglied der Arbeitsgruppe mitgearbeitet hat.“

    Ich würde aufgrund dieses Artikels auf diesel exhaust fumes tippen:

    http://www.sciencemag.org/news/2016/03/french-scientist-accused-perjury-allegedly-concealing-industry-payments

    “ In 2012, WHO’s International Agency for Research on Cancer (IARC) classified diesel engine exhaust as carcinogenic based on “sufficient evidence”—a step up from the 1988 classification as “probably carcinogenic.” At the time, the chairman of the IARC working group, Christopher Portier, said, “The scientific evidence was compelling and the working group conclusion was unanimous: Diesel engine exhaust causes lung cancer in humans.”

    Es gibt class action suits, ich kenne allerdeings die beteiligten Kanzleien nicht.

    1. Interessant. Dazu finde ich bei Lundy, Lundy, Soileau & South, LLP allerdings nichts. Mobilfunk würde passen: Gibt es in der Kanzlei (http://lundylawllp.com/services/cell-phone-litigation/) und auch bei Portier (https://monographs.iarc.fr/ENG/Monographs/vol102/mono102.pdf)

  5. […] von Glyphosat beschlossen hat. Was Herr Portier leider in diesem Prozess nicht erwähnt hat, war sein Beraterposten bei zwei Anwaltskanzleien, die zu dem Zeitpunkt einen Prozess gegen Monsanto führten, bei dem es um Schadenersatz für […]

  6. […] Papers, schillipaeppa.net – Ein Blog in der Brandung am 14. Oktober […]

  7. […] in Zusammenhang mit Christopher Portier stehen, der Mitglied der Arbeitsgruppe zu Glyphosat war. Portier war zu diesem Zeitpunkt bezahlter Gutachter in einem Prozess, in dem Menschen gegen Monsanto klagten, die durch Glyphosat bzw. Roundup […]

  8. […] Detaillierte Informationen bietet Susanne Günther in ihrem Blog –> Portier-Papers […]

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