Bundesumweltministerin Barbara Hendricks verblüffte gestern die Öffentlichkeit mit einem Alleingang in Sachen Glyphosat. Sie ließ verlautbaren:

„Vor dem Hintergrund nach wie vor bestehender Unsicherheiten über die gesundheitlichen Risiken von Glyphosat werden die SPD-geführten Ressorts einer Verlängerung für die Zulassung von Glyphosat nicht zustimmen.“

 

Noch Ende Februar hatte die SPD-Bundestagsfraktion nahezu geschlossen einen Antrag der Grünen abgelehnt, die Wiederzulassung zu stoppen. Es fragt sich, was die SPD zu dem jetzigen Meinungsumschwung veranlasst hat. An der gesundheitlichen Bewertung von Glyphosat durch Institutionen wie BfR oder EFSA hat sich in der Zwischenzeit nichts geändert. Im Gegenteil: Anfang Mai wurde die Glyphosat-Bewertung der amerikanischen Umweltbehörde EPA im Internet veröffentlicht. In diesem Papier wird die IARC-Bewertung von Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ ausführlich kritisiert. Die EPA bemängelt vor allem, dass die IARC, zahlreiche Studien, die keinen Zusammenhang von Glyphosat zu Krebs herstellen, nicht berücksichtigt hat.
Es gibt keine Sachgründe, die jetzt diesen Umschwung rechtfertigen würden. Dies macht auch Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) in seiner Stellungnahme deutlich:

„Ich habe überhaupt kein Verständnis für die „Rolle rückwärts“ der Kollegen Gabriel und Hendricks bei der Zulassungsverlängerung von Glyphosat.
Es gab längst eine (zwischen BMEL, BMUB und BMWi) abgestimmte Regierungsposition mit dem Ziel einer Zulassung. Zuverlässiges und belastbares Regierungshandeln sieht anders aus.
Die Begründung von Frau Ministerin Hendricks ist umso weniger verständlich, da alle Forderungen des Bundesumweltministeriums für eine Zulassungsverlängerung der EU-Kommission übermittelt und in den neuen Verordnungsentwurf aufgenommen wurden.
Hier geht es grundsätzlich um die Frage, dass wir uns gezielt über das gesetzliche Verfahren hinwegsetzen, auf Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu entscheiden. Nach der Wissenschaftlichen Bewertung aller zuständigen Behörden in der EU kann der Wirkstoff genehmigt werden. Alles andere wäre Politik nach Beliebigkeit.“

Der Verdacht liegt nahe, dass die SPD ihr – sich in allmählicher Auflösung befindendes – Profil schärfen will, oder Frau Hendricks wittert Morgenluft und will Sigmar Gabriels vermeintliche momentane Schwäche nutzen, um sich für den Parteivorsitz zu positionieren. Es ist mehr als bedauerlich, dass richtungsweisende Entscheidungen in der Politik zu einem politischen Kasperletheater verkommen sind. Hier geht es nicht um die sachlich beste Lösung, sondern wieder einmal nur um parteipolitisches Kalkül. Das nützt niemandem, auch der SPD nicht: Wenn sie als klassische Arbeiterpartei auf den Ökozug aufspringt, verfehlt sie ihre Klientel. Denn bereits jetzt ist die massive Subventionierung des Bio-Anbaus alles andere als sozial gerecht. Wer von der Hand in den Mund lebt, ohne relevantes Vermögen, dem ist egal, wie wohl sich sein Schweineschnitzel im Leben vor der Schlachtung gefühlt hat. Das ist einfach so.
Dieser parteipolitischen Kuhhandel schadet uns allen, indem er das Vertrauen in die politischen Institutionen sowie die handelnden Personen untergräbt. So ein Verhalten schadet der Demokratie.

 

 

 

 

 

 

 

6 Antworten zu „Kommentar: Ist Rot jetzt das neue Grün?”.

  1. Willkommen im Mittelalter, wissenschaftliche Erkenntnisse spielen keine Rolle, Entscheidungen werden emotional und idiologisch getroffen, die Hexenverbrennung übernimmt dann PETA und ALF

    1. Im Wortprotokoll des Bundestages zum Thema „Opt-Out“ vom 17. Juni 2015 findet sich diese Beichte von Dr. Matthias Miersch (SPD): „Nun bekomme ich immer einen „roten Hals“, wenn ich über Expertenkom-missionen rede, weil ich häufig den Eindruck habe, dass damit Politik ausgeschaltet werden soll und wir so tun, als ob alles Wissenschaftliche gut und richtig ist und Politik irgendwie immer mehr oder weniger nicht sorgfältig abwägt“.

  2. Avatar von bernhardbarkmann
    bernhardbarkmann

    Die Umweltministerin begründet ihre Ablehnung nicht mit Auswirkungen auf die Umwelt, sondern wegen angeblicher Risiken auf die Gesundheit. schon bemerkenswert, wie flatterhaft die SPD sich im Wind verhält. Mit so einem Verhalten ohne jegliche Haltung wird man keine Stimmen hinzu gewinnen. Wenn Gabriel wirklich in Opposition gehen sollte, dann sollte die SPD sich nach einem neuen Kanzlerkandidaten umsehen… das ist doch keine Führungsstärke!

  3. Wenn die Umweltministern noch nicht einmal gegen eine Neuzulassung von Glyphosat stimmen würde, könnte sie ihr Amt auch gleich aufgeben. Sie hat Recht. Frau Hendricks begründet ihre Entscheidung mit dem Vorsorgeprinzip. Das BfR hat schlampig gearbeitet und eine firmeneigene Studie von Monsanto übernommen und Versuchsergebnisse mit Mäusen, die eine höhere Krebsrate mit steigender Menge von Glyphosat aufwiesen, ignoriert. Außerdem gibt es im ganzen Land einen ernormen Artenschwund! Alleine Insekten sind vielerorts um bis zu 80% in der Masse zurückgegangen! Insekten stehen aber am Anfang der Nahrungskette, in der auch Sing- und Greifvögel stehen. Wir müssen endlich diesen immer steigenden Wahn von Pestiziden aufgeben. Allerdings sind auch die Konzerne gefragt, die von der Landwirtschaft leben, und natürlich die Politiker, die bessere Rahmenbedingungen für Bauern schaffen müssen und nicht mit der Aufhebung der Michquote Dumpingpreise fördern und Bauern unter Druck setzen.

  4. die SPD braucht einfach mehr Spendengelder von Bayer oder Monsanto, dann klappt das wieder : )
    http://www.theguardian.com/environment/2016/may/17/unwho-panel-in-conflict-of-interest-row-over-glyphosates-cancer-risk

  5. […] Innenpolitische Konflikte werden auf europäischer Ebene ausgetragen. Es geht nicht um die Sache, sondern um politisches Kalkül. […]

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